Zur konkreten Lebenssituation armer und überschuldeter Menschen – Ein Leben an der Pfändungsfreigrenze ist möglich, auch dauerhaft

Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform sind in diesem Jahr 5,65 Millionen Personen überschuldet, das ist ein Plus von 17.000 betroffenen Menschen gegenüber dem Vorjahr. Creditreform begründet das mit höheren Lebenshaltungskosten, gestiegenen Zinsen und der schwachen Konjunktur samt gewachsener Arbeitslosigkeit.

Gestiegen ist auch die Zahl der Menschen, die seit Jahren, einige seit Jahrzehnten, in ihrem Schuldensumpf festsitzen, völlig resigniert haben und sich dem Druck der Gläubiger, Inkassounternehmen und Gerichtsvollzieher nicht mehr erwehren können. Sie leisten Ratenzahlungen, weil sie Pfändungen fürchten, obwohl sie das gar nicht können und müssen. Immer mehr der langfristig überschuldeten Menschen werden dazu gezwungen oder entschließen sich aus der Situation heraus, mit ihren Schulden zu leben und ihre konkrete Lebenssituation an der, in der Zivilprozessordnung (ZPO) festgelegten Pfändungsfreigrenze, auszurichten.

Richtig organisiert, gibt es sogar ein würdevolles und selbstbewusstes Leben an und mit der Pfändungsfreigrenze.

Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Deutschland die Überschuldung mit dem persönlichen Versagen im calvinistischen Sinn angesehen und hat einen religiösen Überbau. Nach den fetten Jahren, in denen man in Saus und Braus gelebt hat, müssen magere Jahre folgen, der Einzelne wird bestraft, muss Reue zeigen und sich „wohlverhalten“.

Als überschuldet gilt derjenige Mensch, bei dem die zu leistenden monatlichen Gesamtausgaben höher sind, als die Einnahmen. Gesellschaftlich wird den überschuldeten Personen unterstellt, dass sie nicht mit Geld umgehen können, „über ihre Verhältnisse“ gelebt haben „unwirtschaftlich haushalten“ und nicht dem Ideal der „schwäbischen Hausfrau“ entsprechen. Bei der Häufigkeit der Faktoren für die Überschuldung steht dieses Vorurteil auf dem vorletzten Platz, bei nur knapp 8 Prozent der Überschuldeten ist die unwirtschaftliche Haushaltung der maßgebliche Überschuldungsgrund.

Mithilfe des Verbraucherinsolvenzverfahrens sollten einmal die Gläubiger eines Schuldners gleichmäßig befriedigt und zum anderen dem „redlichen Schuldner“ Gelegenheit gegeben werden, sich von seinen Verbindlichkeiten zu lösen und dann ein von den Altschulden befreites Leben zu führen.

Doch werden dem Schuldner seit einigen Jahren während des Insolvenzverfahrens zunehmend Steine in den Weg gelegt, das Verfahren restriktiver, er erlebt die ihn abstrafenden Institutionen hautnah als bedrohlich und wird in seiner Existenz gefährdet. Auch deshalb entschließen sich immer mehr überschuldete Menschen zu einem „Leben an der Pfändungsfreigrenze“. So ein Leben kann aber mit dem Verfolgungsdruck, mangelnder rechtlicher Schutzmöglichkeiten und Bußetun zur Hölle werden, wenn nicht fachgerechte Hilfen und Begleitung in diesem Leben zur Verfügung stehen.

Pfändungsfreigrenzen

In der Zivilprozessordnung (ZPO) § 850c ist die Einkommensgrenze des Arbeitseinkommens, das nicht gepfändet werden darf, festgelegt. Die Pfändungsfreigrenze liegt derzeit bei monatlich 1.410 Euro für eine Einzelperson, bei Unterhaltsverpflichtungen erhöht sich der Betrag. Aber auch Sozialleistungen können wie Arbeitseinkommen gepfändet werden. Dies gilt insbesondere für sogenannte Sozialleistungen mit Lohnersatzfunktion, wie Arbeitslosengeld, Renten, Krankengeld, Übergangsgeld oder Unterhaltsgeld. Die Einhaltung dieser Grenzen bei Pfändungen sollte ursprünglich trotz Schulden das Existenzminimum garantieren.

Menschen, deren Einkommen gepfändet wird, leben in einer existentiellen Dauerstresssituation, der sie meistens allein nicht entkommen können. Nicht selten endet dieses würdelose Schuldnerleben in der Selbsttötung.

Druck wird vor allem ausgeübt von…

a. Schufa

Verschuldete Menschen müssen sich unter den Beobachtungsschirm der Schufa stellen, fühlen sich ihr völlig ausgeliefert und haben Angst vor den Konsequenzen ihrer Einträge. Sie haben oft einen unglaublichen Respekt vor der „Institution“ Schufa, die eigentlich das Geschäftsmodell der Bewertung der Kreditwürdigkeit verfolgt und manche Menschen halten sie sogar für eine Behörde.

Sie wissen nicht wie die Bewertungen zustande kommen und fühlen sich ihr völlig ausgeliefert. Sie haben diese Angst zu Recht, da die Schufa durch das sogenannte Scoring zu ihren Bewertungen kommt.

Das erstellte Profil wird mit einer geheimen Formel berechnet und es ist unklar, welche Daten in welcher Gewichtung ins Scoring einfließen. Verbraucherschützer meinen entschlüsselt zu haben, dass Bürger besser bewertet werden, je weniger Konten oder Handyverträge sie haben und dass häufige Umzüge eher zu einer negativen Bewertung beitragen.

Fast jeder Vermieter will die Schufa-Auskunft zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des künftigen Mieters sehen. Versandhändler und Banken rufen sie ab, ohne dass der Betroffene etwas mitbekommt. Die Datenauskunft soll Aufschluss darüber geben, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand seine Rechnungen begleichen, die Miete zahlen oder einen Kredit bedienen kann.

Die Schufa sieht sich selbst als Dienstleister, der den Unternehmen zu soliden Geschäftsabschlüssen verhelfen will. Doch das umstrittene Scoring zeigt, welche anonyme Macht die Schufa ist. Der einzelne Kunde wird nicht nach seinen persönlichen Daten bewertet, sondern nach den Daten einer Vergleichsgruppe mit ähnlichen Daten. Der Score soll rein statistisch prognostizieren, ob ein bestimmter Kreditvertrag sich ähnlich entwickeln wird wie die Kreditverträge von Vergleichspersonen in der Vergangenheit.

Auch wer sich nichts zuschulden kommen lässt, kann einen schlechteren Score erhalten und seine Bonität angezweifelt werden. Der Grund dafür ist das Prognoseverfahren der Schufa. Je niedriger der Wert, desto schlechter ist die finanzielle Prognose. Die Prognose betrifft die prozentuale Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls. Ein hoher Wert sagt aus, dass die Rückzahlung etwa eines Kredits sehr wahrscheinlich ist, ein niedriger, dass die Rückzahlung fraglich sein kann.

Das genaue Scoring-Verfahren ist unter Verschluss. Es basiert angeblich „auf einem logistischen Regressionsmodell, das die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Zufallsereignisses mit zwei möglichen Ausgängen modelliert“.

Das geheimnisvolle Scoring hat dazu geführt, dass

  • es durchaus möglich ist, dass die Schufa einen Verbraucher gar nicht kennt bzw. nicht in ihren Datenbänken führt und der erst durch die Anfrage z.B. des Telekommunikationsunternehmens in die Datenbank kommt.
  • das Einholen von Kreditangeboten als äußerst negatives Merkmal in das Scoring einfließt, wenn die Bank bei der Schufa-Anfrage den Anfragegrund „Anfrage Kredit“ statt „Anfrage Kreditkondition“ angibt. Diese Praxis ist inzwischen verboten, wirkt aber im Alltag immer noch nach.
  • Informationen aus sozialen Medien, z. B. Facebook, genutzt und auch Daten zur Wohngegend bei den Berechnungen herangezogen werden. Die Schufa bestreitet das zwar und versichert, dass dies in fast 99 Prozent der Berechnungen nicht der Fall sei.
  • Telekommunikations-Unternehmen ihren Kunden mit einem Schufa-Eintrag drohen und diesen dann vornahmen, wenn die Kunden wegen ausbleibender Leistungen den Vertrag kündigten. Bei widersprochenen Forderungen darf zwar gemäß § 28a Abs. 1, S. 1 Ziff. 4 Bundesdatenschutz keine Datenübermittlung und auch nach den Schufa-Richtlinien kein Eintrag erfolgen, die Schufa prüft dies aber nicht selbst.
  • der Betroffene, vorzugsweise über einen Anwalt, der Schufa einen Widerspruch eingereicht hat, dann löscht die Schufa den Eintrag zwar, der Rufschaden bleibt aber meistens bestehen. Strafanzeigen gegen das meldende Unternehmen wegen Verleumdung gemäß § 187 Strafgesetzbuch werden von den Staatsanwaltschaften regelmäßig eingestellt, mit der Begründung, dass der Verursacher, also die einzelne Person in dem Unternehmen kaum zu ermitteln sei.
  • die Schufa eine sehr hohe Fehlerquote hat. Dies attestierte das Bundesverbraucherschutzministerium zuletzt 2009 als es eine Studie über die Fehlerquoten verschiedener Auskunfteien erstellte.
  • die Stiftung Warentest für ihre Zeitschrift Finanztest schon 2003 eine Untersuchung durchgeführt und herausgefunden hat, dass 69 Prozent der Daten unvollständig, veraltet oder falsch waren.
  • das Amtsgericht Hamburg (Aktenzeichen 9 C 168/01) die Schufa dazu verurteilte, es zu unterlassen, den Score-Wert eines Kaufmanns an ihre Vertragspartner weiterzugeben. Das Urteil betrifft jedoch nur diesen Einzelfall. Wer verhindern will, dass die Schufa den persönlichen Score-Wert weitergibt, muss ihr das unter Verweis auf das Urteil selbst untersagen

und

wenn es verhindert wird, den Score-Wert der Schufa an ihre Vertragspartner weiterzugeben, dann bei der Schufa-Abfrage kein Score-Ergebnis erscheint. Der Bankangestellte wird dann keinen Kredit geben, seine Vorgabe lautet: ohne Score keinen Kredit.

Es gibt zwar neben der Schufa noch weitere Auskunfteien wie etwa Creditreform oder Arvato Infoscore, doch für die meisten Menschen ist die Schufa die bekannteste und gleichzeitig die, vor der man sich am meisten fürchtet.

b. Inkassounternehmen

Für die Inkassoindustrie ist die Überschuldung der Menschen ein extrem lukratives Geschäft. Rund fünf Milliarden Euro setzt sie in Deutschland jährlich um, Tendenz steigend. Der Onlinehandel und ein wachsender Konsum bringen immer mehr unbezahlte Rechnungen mit sich.

Wer eine Inkassofirma aufmacht, braucht kaum mehr als eine Registrierung, kann aber für seine „Dienstleistungen“ dasselbe fordern, wie ein Anwalt, der jahrelang Jura studiert haben muss.

Die Inkassounternehmen umgaben und umgeben immer schon eine unseriöse Aura, weil niemand zugibt, sie zu kennen, es keine amtliche Statistik für diese Unternehmen gibt und die Branche bei Verfehlungen lediglich von „schwarzen Schafen“ spricht.

Nach Angaben des Bundes Deutscher Inkasso Unternehmen (BDIU) sind derzeit in Deutschland knapp über 2.000 Registrierungen für Inkassodienstleistungen hinterlegt, die ein Forderungsvolumen von fast 27 Milliarden Euro halten und in dem vergangenen Jahr daraus fünf Milliarden Euro eingezogen haben. Es handelt sich hierbei überwiegend um regional tätige kleinere Unternehmen. Angenommen wird, dass über zwei Drittel aller Inkassofirmen maximal fünf Angestellte beschäftigen. Im BDIU waren zu dieser Zeit 560 Unternehmen als Mitglied organisiert, der somit etwa 90 Prozent des Forderungsvolumens repräsentierte.

Die Hauptaufgabe von Inkassodienstleistern ist das Einziehen von Forderungen, die kaufmännisch ausgemahnt, aber noch nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. Dabei können die Forderungen von den Ursprungsgläubigern abgetreten, verkauft oder mit einem Factoringauftrag versehen worden sein. Bei Bevollmächtigungen endet die Vertretungsbefugnis von Inkassounternehmen, wenn es im Mahnverfahren zu einer Abgabe an das Streitgericht gekommen ist und wenn im Rahmen von Zwangsvollstreckungen Handlungen zu einer Einleitung eines streitigen Verfahrens führen würden oder wenn Handlungen in einem streitigen Verfahren notwendig sind.

Viele Inkassounternehmen bieten noch zusätzliche Dienstleistungen wie kaufmännische Hilfstätigkeiten im Bereich der Angebots- und Rechnungserstellung und auch die langfristige Überwachung derzeit nicht einbringbarer titulierter Forderungen an. Dabei kommt es fast immer zu teurer Doppelbeauftragung von Inkassounternehmen und Rechtsanwälten.

Inkassounternehmen stehen in Konkurrenz zu Rechtsanwälten und den unternehmenseigenen Mahnabteilungen und müssen offensiv zeigen, dass sie „effektiver“ arbeiten.

Wie bei allen lukrativen Geschäften, hier geht man von einem Forderungsvolumen von geschätzt über 50 Milliarden Euro jährlich aus, hat sich eine Eigendynamik mit rechtlichen Grauzonen entwickelt. Mittlerweile gibt es einen regelrechten Handel mit den Forderungen, bei dem Forderungen weiterverkauft, als Pakete verschnürt weitergegeben und manchmal eine Forderung von verschiedenen Unternehmen mehrmals einzogen wird.

Die Schuldner wissen häufig gar nicht, wer aktuell die Ursprungsforderung bearbeitet und wann sie an wen weitergegeben wurde. Dabei landen oft bezahlte Forderungen als Schulden auf dem Inkassomarkt, werden von neuen Besitzern als alte Forderung neu erhoben, mehrfach weiterverkauft, so dass es oft vorkommt, dass es Forderungen mehrfach gibt, die verjährt sind und die dann neu geltend gemacht werden.

Aus Unkenntnis, Angst vor einem Schufa-Eintrag und schlechtem Gewissen der Schuldner wird meistens ungeprüft bezahlt und somit die wichtige materielle Grundlage für das Inkassogewerbe geschaffen.

Die Inkassounternehmen sind und bleiben Kostentreiber. Sie sind für eine erhebliche Verschärfung der finanziellen Probleme verantwortlich und viele Menschen sind den staatlich lizenzierten Geldeintreibern hilflos ausgeliefert.

c. Banken und Sparkassen

Einrichtung eines Kontos muss erkämpft werden

Es ist mittlerweile unstrittig, dass ein Konto für jeden Menschen in Deutschland notwendig ist. Die Betriebe zahlen den Lohn auf das Giro-Konto ein, die Miete geht vom Giro-Konto ab und auch die Giro-card ist mit dem Konto verknüpft: Ohne Giro-Konto werden finanzielle Kleinigkeiten zum großen Problem, eine Teilhabe am normalen Geschäftsleben ist unmöglich.

Früher mussten nur die damals noch gemeinnützigen Sparkassen in einigen Bundesländern jedem Verbraucher ein Giro-Konto eröffnen, soweit dies für sie zumutbar war. Grund dafür ist der „Kontrahierungszwang “, der in den Sparkassengesetzen dieser Bundesländer festgelegt ist und sie dazu verpflichtet, allen Menschen ein Konto anzubieten. Außerdem verpflichteten sich die Sparkassen seit dem Jahr 2012, Verbrauchern auf Wunsch ein sogenanntes Bürgerkonto zu eröffnen, ein Girokonto auf Guthabenbasis. Für die Privatbanken gab es seit 1995 lediglich eine unverbindliche Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft, ein Konto für jedermann, oft auch als Jedermann-Konto bezeichnet, anzubieten.

Für die meisten armen Menschen, war das Konto bei der Sparkasse über Jahrzehnte die einzige Möglichkeit, überhaupt ein Konto zu bekommen. Jeder konnte sich darauf verlassen, dort ein Konto zu erhalten, denn es war und ist z.B. im Sparkassengesetz NRW festgelegt.

Für überschuldete Menschen bestand früher die einzige Möglichkeit für einen Kontowechsel, die Einrichtung eines Kontos bei der Sparkasse, auch um mit dem neuen Sparkassenkonto Schutz vor der Verrechnung des Einkommens mit dem Dispo zu erhalten oder um zusätzliche Miet- und Energieschulden zu vermeiden.

Spätestens nach der Einführung des Basis-Kontos haben die Sparkassen in vielen Fällen den gesetzlichen Auftrag missachtet, Kunden, die ein Konto eröffnen wollten, einfach weggeschickt und sie sehen hier eine Möglichkeit, ärmere Menschen als neue Kunden abzuweisen.

Seit dem 19. Juni 2016 können alle Menschen, die sich legal in der Europäischen Union aufhalten, ein Basis-Konto bei einer Bank oder Sparkasse eröffnen. Diese sind verpflichtet, solche Konten bereitzuhalten. Sie dürfen Kunden aber aus gesetzlich festgelegten Gründen ablehnen, zum Beispiel, falls diese bereits ein Basis-Konto haben.

Basis-Konten haben grundsätzliche Funktionen, die auch ein normales Giro-Konto hat, zum Beispiel Geld abheben und überweisen oder mit Karte zahlen. Anspruch auf einen Dispo oder eine Kreditkarte haben die Kunden dabei nicht.

Sollte ein Geldinstitut es ablehnen, ein Konto zu eröffnen oder kündigt es das Konto, muss es dem Kunden die Gründe dafür nennen. Ausnahmen gibt es nur, falls die Bank damit den Kampf gegen Geldwäsche oder Terrorfinanzierung gefährdet.

Soweit die Theorie.

Bei den Banken und Sparkassen werden häufig Kunden, die ein Konto eröffnen wollen, ohne Nennung von Gründen für die Ablehnung, weggeschickt. Wird dann einmal nachgehakt, wird argumentiert, der Kunde habe ein Konto und zwei Konten seien nicht erlaubt. Selbst wenn das Konto bei einer Bank bereits im Kündigungsverfahren ist, weigern sich die Banken und Sparkassen weiterhin.

Fakt ist aber, dass jeder so viele Konten haben kann, wie er möchte und das Einkommen auf ein neues Konto fließen muss, damit es auf dem bisherigen Konto nicht verrechnet wird und der zukünftige Bankkunde den Monat über nicht mittellos da steht.

Trouble mit dem P-Konto

Ähnlich ergeht es Leuten, die ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) eingerichtet haben, um ihr pfändungsfreies Guthaben vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen. Das P-Konto ist das Girokonto einer natürlichen Person, das im Falle einer Kontopfändung dem Schuldner die Verfügung über den monatlichen pfändungsfreien Betrag möglich macht. Es soll einen pfändungsfreien (Grund-) Freibetrag schützen und dient der Umsetzung des Sozialstaatsgebots, in dem es die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums gewährleistet.

Auch hier gehen Banken und Sparkassen immer restriktiver mit den überschuldeten Kunden um.

Die Handhabung des P-Kontos läuft nicht rund, was die Beispiele, die als „viele Einzelfälle“ vorkommen, zeigen:

  • Bei der Einrichtung des P-Kontos werden die Leute, trotz Beratungspflicht der Banken und Sparkassen, oft gar nicht oder falsch informiert.
  • Immer wieder kommt es vor, dass Menschen ihr Konto in ein P-Konto umwandeln lassen wollen und die Banken und Sparkassen sich weigern, mit der Begründung z.B. „das P-Konto trifft für sie nicht zu“/ „es muss erst eine Pfändung platziert sein“ oder es werden unnötige Hürden aufgebaut. Dabei besteht ein gesetzlicher Anspruch auf diese Umwandlung und das Geld ist im schlimmsten Fall für den Kontoinhaber verloren, wenn es die Bank an den Gläubigern überwiesen hat.
  • Nach der Umwandlung in ein P-Konto wurde nicht nur die Kredit-, sondern auch Geldkarten der Kunden eingezogen, obwohl eigentlich der Girovertrag durch die Umwandlung nicht verändert wird.
  • Eltern mit unterhaltsberechtigten Kindern z.B. wurde nur der Grundfreibetrag zugestanden, obwohl ein Kindergeldbeleg oder Jobcenterbescheid vorgelegt wird, woraus die unterhaltsberechtigten Personen ersichtlich sind.
  • Wurde eine Bescheinigung zur Erhöhung des Freibetrags eingereicht, kann es bis zu 7 Tage dauern, bis der Kunde über sein Geld verfügen kann.
  • Der Grundfreibetrag je Kalendermonat wird trotz Vorlage der Bescheinigung § 850 K Abs. 5 der ZPO nicht angenommen oder nicht in der Kontoakte hinterlegt und so dem Kunden über Monate nicht den erhöhten Freibetrag und das Kindergeld angerechnet.
  • Kunden im eröffneten Insolvenzverfahren ist es passiert, dass sie an ihr Geld nicht herankommen, da die Banken und Sparkassen auf die Freigabe durch den Insolvenzverwalter in einigen Fällen bis zu zwei Wochen warten. Diese Freigabe wird bei einem P-Konto aber gar nicht für die Auszahlung benötigt.
  • Das Debet des Schuldners wurde mit Zahlungseingängen verrechnet, selbst dann, wenn diese Beträge eigentlich nach § 850k ZPO vor einer Pfändung eines Gläubigers oder dem Insolvenzbeschlag geschützt sind.
  • Probleme gibt es, wenn ein Kunde zusätzlich einmalige Sozialleistungen erhält oder Nachzahlungen von Sozialleistungen. Oft wird die Auszahlung verweigert und der Leistungsempfänger zum Vollstreckungsgericht geschickt. Dort wird ihm aber die Freigabe verweigert. Er muss dann eine anerkannte Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle, Sozialleistungsträger, Rechtsanwälte oder die Familienkasse finden, die bereit sind, die Bescheinigung auszustellen. Die Banken und Sparkassen müssten aber mit dem Bewilligungsbescheid zufrieden sein, der zugleich auch als Freigabebescheinigung dient.
  • Zum Jahresende wurden die Kunden nicht darauf hingewiesen, dass das Weihnachtsgeld/Jahressonderzahlung auf Antrag beim Amtsgericht bis zu einem Betrag von 500 Euro zusätzlich freigegeben, sondern an die Gläubiger abgeführt wurde.
  • Den Kunden wurde immer wieder erläutert, dass eine Rückwandelung des P-Kontos nicht möglich ist, auch wenn sie sich schon in der Wohlverhaltensphase des Verbraucherinsolvenzverfahrens befinden.
  • Bei Beschwerden kommt es öfter zu übergriffigen, verbalen Auseinandersetzungen mit den Beschäftigten in den Banken und Sparkassen. So wurde den Kunden vor Publik vorgehalten „warum haben sie denn auch Schulden gemacht“ oder „erst zurückzahlen und dann gibt es etwas Neues“

und

wenn der Kunde weiterhin protestiert, wird er vom Sicherheitsdienst aus der Filiale verwiesen und nach draußen geführt.

Viele ärmere und verschuldete Menschen bereuen es, dass sie ihr Giro-Konto in ein P-Konto umgewandelt haben, sie sind einfach nur genervt über das willkürliche Handeln ihrer früher so geschätzten gemeinwohlorientierten Sparkasse oder den gewinnorientierten Banken, die immer wieder versuchen, systematisch arme und verschuldete Menschen als Kunden fern zu halten.

d. Öffentliche Gläubiger

Konnten sich diese Menschen früher noch vertrauensvoll an die öffentlichen kommunalen Behörden und Sozialversicherungsträger wenden, die ihnen im Rahmen der Beratungs- und Auskunftspflicht weiterhelfen konnten, ist ihnen mittlerweile diese Möglichkeit völlig versperrt.

Im Gegenteil, die öffentlichen Stellen geben finanzielle Hilfen in der Regel nur noch als Darlehen und lassen die Ratsuchenden als „Bittsteller“ im Regen stehen. Durch die Einführung der Schuldenbremse und nur noch betriebswirtschaftliches Denken sind diese Institutionen zu ganz normalen Gläubigern geworden, die mit privaten Inkassofirmen zusammenarbeiten, selbst gnadenlos vollstrecken und dabei immer öfter neben Recht und Gesetz stehen.

Den meisten Menschen ist verborgen geblieben, welches Ausmaß die Ver- und Überschuldung bei den sogenannten Öffentlichen Gläubigern erlangt hat. Hatte man früher lediglich beim Jugendamt Unterhaltsschulden und beim Finanzamt Steuerschulden, fallen für die ärmeren Menschen immer mehr Verbindlichkeiten bei Ämtern, Krankenkassen, Agentur für Arbeit/Jobcenter und Sozialamt an.

Aber viele öffentliche Forderungen, die den Bürgern bei der Stadt und Gemeinde entstanden sind, sind hausgemacht und wären leicht vermeidbar.

Wie bei allen Statistiken, die wie hier den Schuldenstand der Bürger bei den Städten vergleichen, liegt die Tücke im Detail. Es hat sich herausgestellt, wenn eine Stadt z.B. intensiv nach Hunden fahndet, die die Besitzer nicht angemeldet haben, dann lautet die Formel: je mehr bekannte Hunde, desto höher sind die Außenstände. Wenn man also die Fahndung nicht durchführen würde, würde dies die Außenstände weit stärker senken und wäre kostengünstiger, als der teure Einsatz privater Inkasso-Firmen. Oder wenn die Stadt ihre Blitzer auf der Autobahn ausbaut, werden nicht nur die Einnahmen steigen, auch die Außenstände vergrößern sich erheblich. Oder wenn ein einziges Großunternehmen in der Kommune die Steuern zurückhält oder später nachzahlt, bringt das die Zahlen völlig durcheinander.

Der Anstieg der Außenstände von säumigen Bürgern ist somit schlecht nachzuweisen. Was aufgezeigt werden kann ist, dass die Öffentlichen Gläubiger, wenn sie selbst Schulden eintreiben, oft ungesetzlich vorgehen, ihre Beratungspflicht verletzen, einzelne Schuldner völlig ruinieren können und eine kleine Forderung zu einem gesamt gesellschaftlichen Riesenkostenbetrag anwachsen kann.

Einige Beispiele für die Hauptschulden bei Öffentlichen Gläubigern:

  • Beitragsschulden für den „Beitragsservice ARD, ZDF und Deutschlandradio“ (frühere GEZ),
  • Forderungen aus Ordnungswidrigkeiten
  • Kitabeitragsschulden,
  • Hundesteuerforderungen,
  • Erschleichen von Beförderungsleistungen,
  • Schulden bei der Bundesagentur/Jobcentern

und Beitragsschulden der Versicherten bei der gesetzlichen Krankenversicherung.

Das unangenehme bei Schulden bei Öffentlichen Gläubigern ist, dass sie schnell geahndet werden können. Meist reicht ein Bescheid, der in der Regel vollstreckbar ist und sehr schnell erlassen wird im Gegensatz zum gerichtlichen Mahnverfahren. Zur Vollstreckung kommen die eigenen Gerichtsvollzieher und die können auch Leistungen z.B. nach dem Sozialgesetzbuch mit den Schulden ver- und aufrechnen.

Die Öffentlichen Gläubiger erhoffen sich neuerdings von privaten Inkasso-Unternehmen, dass sie sich auch um die „aussichtslosen“ Fällen, die sonst niedergeschlagen werden, kümmern, auch nach Feierabend der städtischen Behörden bei den Schuldnern anklingeln, schon mit ihren martialisch klingenden Firmennamen Angst verbreiten und mit muttersprachlichen Landsleuten Druck machen.

Bevor die Städte und Gemeinden ihre Überlegungen zur Zusammenarbeit mit Privatinkassofirmen konkretisieren, sollten sie lieber die derzeitige restriktive Vollstreckungspraxis überdenken. Die oft unverhältnismäßig und unangemessen ist bzw. die Beitreibung selbst erst einen viel größeren volkswirtschaftlichen Schaden auslöst.

Auch sollten sie auf den Landesverband der Kommunalkassenverwalter hören. Dieser warnt davor, dass die Städte und Gemeinden Privatfirmen beauftragen, denn die dürften auch nur anschreiben und die Schuldner auffordern zu zahlen – nicht mehr und nicht weniger.

Ein würdevolles Leben an der Pfändungsfreigrenze ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich

Viele Menschen haben nicht die Möglichkeit, ihre Schulden mangels Geld zu regulieren oder möchten die Insolvenz nicht durchlaufen, auch weil sie nicht gerne unter der Knute des Insolvenzverwalters stehen möchten.

Mit Hilfe des gerichtlichen Mahnverfahrens und dem Eintrag ins Schuldnerverzeichnis können Personen, bei denen nichts pfändbar ist, für gewisse Zeiträume unbehelligt von ihren Gläubigern weitgehend stressfrei leben.

Voraussetzung dafür ist eine professionelle Begleitung durch gemeinnützige Stellen und das Selbstbewusstsein, dass die eigenen Schulden erst das Vermögen der anderen ermöglichen und durch Zahlungen, frühere Ratenzahlungen und Gebühren oft die Schuld schon lange getilgt ist.

Das gerichtliche Mahnverfahren beginnt mit dem Mahnbescheid, der durch das zuständige Amtsgericht auf Antrag des Gläubigers zugestellt wird. Falls die Rechtmäßigkeit oder die Höhe angezweifelt wird, kann gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden und das Gericht prüft die Forderung dann.

Wird kein Widerspruch eingelegt, kann der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid beantragen, den das Gericht dann ebenfalls dem verschuldeten Menschen zustellt. Gegen den Vollstreckungsbescheid kann Einspruch erhoben werden, z.B. dann, wenn die Forderung bereits verjährt ist. Das Gericht entscheidet, ob die Forderung besteht oder nicht. Wird kein Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt, kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher schicken, der pfändbares Vermögen/Einkommen oder pfändbare Gegenstände mitnimmt, um dem Gläubiger die Schuldsumme ganz oder zum Teil zu begleichen.

Auf Antrag kann der Gerichtsvollzieher auch das Vermögensverzeichnis des säumigen Schuldners abnehmen, das heißt, mit einem ausführlichen Fragebogen wird ermittelt, ob einzelne pfändbare Gegenstände oder Einkommen/Vermögen vorhanden sind.

Das Vermögensverzeichnis wird beim zuständigen Amtsgericht im Schuldnerverzeichnis hinterlegt, andere Gläubiger können es einsehen. Ändert sich an der Einkommens-/Vermögenssituation in den nächsten 24 Monaten „nichts gravierend“, darf in diesem Zeitraum nicht vollstreckt werden und die verschuldete Person hat erst einmal Ruhe.

Nichts gravierend lässt aber gewissen Spielraum für kreative Ideen, die dazu beitragen, das Einkommen zu erhöhen.

In der Praxis kann die Zweijahresfrist beliebig oft genutzt werden, vor allem bei denjenigen Menschen, deren Einkommen sowieso dauerhaft unter der Pfändungsfreigrenze liegt und es keinen Vermögenszugewinn geben wird.

Mit Hilfe der immer geringeren Anzahl gemeinnütziger und engagierter Beratungsstellen kann das Verhalten gegenüber Gerichtsvollziehern eingeübt und aus der früheren Stresssituation kann eine gemütliche Kaffeerunde mit ihm werden. Auch der Empfang der Gerichtspost lässt sich stressfrei einüben, sodass ein langfristig ausgerichtetes Leben an der Pfändungsfreigrenze mit Würde und Selbstbewusstsein möglich wird.

Bei steigenden Zahlen von Menschen, die in der Schuldenfalle sitzen und über sinkenden Realeinkommen klagen, kann in Zukunft das Leben an der Pfändungsfreigrenze für viele ein Lebensentwurf werden. Ob das klappt, liegt vor allem an der parteilichen, fachgerechten und vertrauensvollen Begleitung.

 

 

 

 

 

 

Quelle: AG Schuldnerberatung, SCHUFA, BDIU, Bundesamt für Statistik, Sparkasse Dortmund, WAZ, Rechtspflegerportal, Insolvenzordnung
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