Zur politischen Ökonomie der Unternehmensinsolvenzen – das Beispiel Karstadtpleite

Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 120.239 Insolvenzverfahren, das sind 60 Prozent mehr als im Vorjahr. 13.993 Firmen meldeten Insolvenz an und der große Rest waren Privatinsolvenzen. Die offizielle Schadenssumme betrug insgesamt 48,3 Milliarden Euro.

Nach jahrelanger Flaute hat das Thema Unternehmensinsolvenz wieder öffentliches Interesse geweckt und die Diskussion Fahrt aufgenommen. Vor Kurzem hatte der Toilettenpapierhersteller Hakle Insolvenz angemeldet und beantragte das Verfahren in Eigenverwaltung durchzuführen. Nun hat auch der Schuhhändler Görtz, der bundesweit rund 160 Filialen mit 1.200 Beschäftigten betreibt, ein Insolvenz-Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung beantragt. In beiden Unternehmen läuft der Geschäftsbetrieb weiter – wie kann das sein?

Die Schadenssumme je Insolvenzfall betrug für die privaten Insolvenzgläubiger, dazu zählen beispielsweise Banken, Lieferanten und sonstige Kreditgeber, 910.000 Euro. Zu den Leidtragenden einer Insolvenz zählen fast immer auch die Beschäftigten des insolventen Unternehmens. Die geschätzte Zahl der betroffenen Arbeitsplätze summierte sich deutschlandweit auf rund 143.000.

Für das Jahr 2022 rechnen Experten mit mindestens zehn Prozent mehr Insolvenzen mit einer Schadenssumme von insgesamt 223,5 Milliarden Euro.

Die Schulden der einen sind das Vermögen der anderen

Die Binsenweisheit, dass die Schulden der einen das Vermögen der anderen sind, ist zwar allgemein gesehen richtig, allerdings kommt es darauf an, unter welchen sozio-ökonomischen Bedingungen diese Prozesse stattfinden.

In den Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktionsverhältnisse dominant sind, entspringt das zinstragende Kapital der Zirkulation des industriellen Kapitals. Eine Bewegung des industriellen Kapitals ist ohne Kredit gar nicht möglich. Immer, wenn Waren von einem Unternehmen verkauft werden, fließt vorgeschossenes Kapital, also die Investition in die Herstellung dieser Waren, zurück. Es wird aber nicht sogleich wieder als Kapital in eine nächste Runde der Warenproduktion investiert.

Statt auf die nächste Runde der Warenproduktion zu warten, kann das zurückfließende Kapital zunächst als zinstragendes Kapital verwendet werden. Das ist sogar notwendig, um den Gesamtprozess am Laufen zu halten.

Irgendwer gewährt immer Kredite, um

  • die nächste Runde in Gang zu setzen,
  • die neue Technik zum Einsatz zu bringen,
  • die Produktion auszuweiten

oder die Profitrate zu erhöhen.

Mithilfe des Kredits können sich die Kapitaleigner dabei sowohl als Kreditgeber als auch als Kreditnehmer bereichern. Wenn aber die Angehörigen der subalternen, also der niedrigen Klassen zu Kreditnehmern werden, werden Teile ihrer Einkommen dann als Zinszahlungen kapitalisiert und es bilden sich Ausbeutungsverhältnisse. Der Kredit kann somit den einen noch reicher machen und den anderen nie. Es sei denn, er wird auch zum Kapitalisten.

Durch ein Insolvenzverfahren werden nicht Geld und Werte verbrannt, sondern es ändert sich etwas an ihrer Zirkulation. Für die einzelnen finanzkräftigen Unternehmen bieten die Insolvenzen der anderen zusätzlich die Möglichkeit, im Rahmen der Konkurrenz und der Steigerung des Profits eine privilegierte Marktstellung zu erhalten.

Herkömmliche Insolvenzverfahren

Wie die großen Insolvenzen zum Beispiel bei Karstadt vor einigen Jahren und danach bei Kaufhof zeigen, ist es immer eine unumkehrbare Entwicklung im Arbeitskampf, wenn ein Betrieb die Insolvenz, in welcher Art auch immer, beantragt.

In dem Moment ist zumindest ein Teil der Arbeitsplätze verloren und für alle Beteiligten abgeschrieben. Das Aus soll für die Beschäftigten durch das Insolvenzgeld (60 Prozent des Entgelts) schmackhafter gestaltet werden, doch mit dem Insolvenzgeld ist man auch aus dem Betrieb raus.

Bei dieser Art des Insolvenzverfahrens kommt meist ein Investor ins Spiel, der als Retter von den Medien hochgelobt wird. Nach dem Kauf, manchmal für einen symbolischen Euro, wird die Verwertung gestartet. Die kurzfristigen Gewinne werden mithilfe der Gewerkschaften erzielt, die um des Ganzen willen dem Abbau von Arbeitsplätzen, Verlängerung der Arbeitszeit, Kürzungen der übertariflichen Leistungen, Lohnsenkungen, nicht vergüteten Überstunden, Auslagerung einzelner Bereiche und dem Einsatz von Leiharbeitern zustimmen. Die folgenden Gewinne generieren sich aus dem Profit oder der Ausschlachtung des Unternehmens.

Doch diese im Regelfall automatisch ablaufenden Prozesse müssen nicht unbedingt sein.

Wenn ein Unternehmen verkauft oder ausgeschlachtet werden soll, weil so mehr Gewinn für die Eigentümer herauskommt, kann das Unternehmen durchaus noch so gesund sein, dass es der Belegschaft auch zukünftig den Lebensunterhalt sichert und keiner Rettungsversuche bedarf.

Schon in der Pariser Kommune gab es das „Décret des ateliers“ vom 16. April 1871, das die Fortführung der von Eigentümern verlassenen Werkstätten durch Kooperativen der dort zuvor Beschäftigten vorsah. Auch heute sieht das Insolvenzrecht vieler Staaten eine solche Möglichkeit vor.

Insolvenz in Eigenverwaltung

Die Insolvenz in Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. der Insolvenzordnung gibt es schon länger, sie wurde aber von den Gerichten nur sehr selten angeordnet. Nachdem im Jahr 2012 das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen” (ESUG) in Kraft trat, bekam das Verfahren einen regelrechten Aufschwung. Mit dem neuen Gesetz wollte die Bundesregierung Firmen ermutigen, rechtzeitig Insolvenz anzumelden.

Die Eigenverwaltung ist kein eigenes Verfahren, sondern eine Sonderregelung zur Verwaltung des Vermögens des Insolvenzschuldners. Sie findet im vorläufigen Verfahren statt und es wird kein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, sondern der Schuldner selbst übernimmt diese Verwaltung.

Die Praxis der Gerichte seit 2012 zeigt, dass die Eigenverwaltung immer dann angeordnet wird, wenn sich das Unternehmen des Schuldners offenbar mittelfristig fortführen lässt und eine positive Fortführungsprognose hat.

Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist auch deshalb attraktiv, weil sie das Unternehmen für drei Monate finanziell entlastet, denn es gibt Insolvenzgeld, die Umsatzsteuer wird eingespart und die Miet- und Leasingraten werden ausgesetzt. Erleichtert wird, Verträge zu kündigen und sich von den Beschäftigten zu trennen. Nach den drei Monaten arbeitet das Unternehmen wieder unter Vollkosten.

Die Eigenverwaltung endet mit der Anordnung der Überleitung in das reguläre Insolvenzverfahren oder der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Eine vom Schuldner gegebenenfalls während der Eigenverwaltung erteilte Vollmacht, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, erlischt gemäß § 117 Abs. 1 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Die Eigenverwaltung ist konstruktionsbedingt schon anfällig für den Missbrauch, so

  • ist die gesetzmäßige Verfahrensleitung und -durchführung vielfach nicht gewährleistet, weil die Berater schlechte Leistungen erbringen.
  • führt die Hälfte der Eigenverwaltungsverfahren später in die Regelinsolvenz.
  • liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer in Wahrheit bei 763 Tagen anstatt bei den oft beschworenen neun bis zehn Monaten.
  • ist die vielfach beratergesteuerte Auswahl des vorläufigen Sachwalters zu einer echten Unsitte geworden, die auch auf der oftmals manipulativen Zusammensetzung der Gläubigerausschüsse, gesteuert durch den Berater, fußt.
  • ist die Behauptung, dass eher kein Einfluss auf die Unabhängigkeit der Sachwalter ausgeübt wird, schlicht unwahr. Der Sachwalter ist in ein vom Berater gesponnenes Abhängigkeitssystem eingebunden und nimmt seine gesetzlichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß wahr, weil er auf die nächste Empfehlung schielt.
  • kann der Schuldner nicht Interessenwahrer der Gläubiger sein, da er bereit sein wird, wirtschaftliche Eigeninteressen dem Gläubigergesamtinteresse unterzuordnen. Das ist eine gesetzlich verursachte Interessenkollision.
  • ist nicht mehr das unabhängige Verhalten des Sachwalters gegeben, es kann allzu häufig zu Verletzungen der gesetzlichen Vorschriften, etwa der Anzeigepflicht durch den Sachwalter kommen.
  • verbilligt die Eigenverwaltung die Verfahren nicht, im Gegenteil, sie verteuert sie stets dann, wenn sie scheitert, was in fast der Hälfte der Verfahren geschieht.
  • entstehen regelmäßig enorme Beratungskosten, sodass die Gefahr einer kostenträchtigen Nebeninsolvenzverwaltung besteht. Das ist besonders für Kleinunternehmen untragbar, gerade dann, wenn die Eigenverwaltung schlussendlich in die Regelinsolvenz führt. Es stehen dann keine ausreichenden Mittel mehr für die leistungswirtschaftliche Sanierung zur Verfügung.
  • beantragt der Firmeninhaber das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, das heißt, dass bei dieser Form der Pleite er die Geschäfte wie bisher und unter Umständen sogar mit demselben Management fortsetzen kann.
  • bietet das Verfahren in Eigenverwaltung dem Unternehmen größere Spielräume zu Verhandlungen mit seinen Gläubigern und anderen Beteiligten.
  • werden für die Dauer von bis zu drei Monaten die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanziert. Dieses Geld wird von anderen Firmen aufgebracht und durch die Arbeitsverwaltung in Höhe von 60 Prozent vom Nettoentgelt ausgezahlt.
  • kann das Unternehmen auch durch die Nichtabführung von Umsatzsteuern, Lohnsteuer und sonstiger Steuern zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Verfahrens zum Teil sehr hohe Kosten einsparen

und werden die Gläubiger mit kleinen Quoten häufig den Rest der Forderung erlassen, was zu einer massiven Stärkung des Eigenkapitals der zahlungsunfähigen Firma führt.

 Schutzschirmverfahren als besondere Variante der Eigenverwaltung 

Das Schutzschirmverfahren ist eine Form im vorläufigen Insolvenzverfahren. Dabei müssen Unternehmen in wirtschaftlicher Not nicht mehr zwangsläufig die Regelinsolvenz durchlaufen. Das Schutzschirmverfahren gemäß § 270b InsO ist also eine zulässige Alternative zur Regelinsolvenzwenn Aussichten auf eine wirtschaftliche Erholung gegeben sind. Juristisch gesehen verknüpft das Schutzschirmverfahren die vorläufige Eigenverwaltung mit dem Ziel der frühzeitigen Vorlage eines Insolvenzplans.

Die in wirtschaftliche Schieflage geratenen Unternehmen können durch das Verfahren Schulden drastisch reduzieren. Mit Hilfe der unterschiedlichen Schutzmaßnahmen und Sonderrechte kann das Unternehmen weiterhin operieren. Auch erhält es staatliche Subventionen. Das Ziel ist zunächst die Herstellung von Liquidität und letztendlich die vollständige Sanierung des Betriebs und die Abwendung der Insolvenz.

Auch hier ist der Sachwalter vom Unternehmen weitgehend frei wählbar. Das Gericht kann ihn nur aufgrund einer mangelnden Eignung ablehnen, beispielsweise bei fehlender Unabhängigkeit oder völlig fehlender Erfahrung.

Während des Verfahrens werden dem Unternehmen Sonderrechte eingeräumt, wie etwa

  • die Kündigung ohne Sozialplan innerhalb von drei Monaten. Es gelten keine Kündigungsfristen, weder die gesetzlichen noch arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche,
  • die außerordentliche Kündigung von unwirtschaftlichen Verträgen,
  • die Übernahme der Personalkosten,

und den Schutz vor Zwangsvollstreckung.

In der Praxis wird die einfache, vorläufige Eigenverwaltung gemäß § 270a Insolvenzordnung als Verfahrensart bevorzugt, da die Voraussetzungen für das Schutzschirmverfahren wie das Nichtvorliegen von Zahlungsunfähigkeit und die Erstellung einer dafür erforderlichen Feststellungsbescheinigung zeitintensiv ist und hohe Hürden stellen.

Geschäftsmodell für Wirtschaftskanzleien

Mittlerweile haben sich einige Wirtschaftskanzleien auf die Verfahren in Eigenverwaltung spezialisiert und sich etwas Tolles einfallen lassen. Um an neue Kunden zu kommen, bieten sie Unternehmen an, mit ihrer Hilfe in die Insolvenz zu gehen, ihre Geschäfte wie bisher und unter Umständen sogar mit demselben Management fortzusetzen, um dann bei den Verhandlungen mit den Gläubigern eine Reihe von Sondervergünstigungen herauszuschlagen und für die Dauer von bis zu drei Monaten die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgelds zu finanzieren.

Beißen die Kunden an, wird ihnen das Ganze erläutert: Zunächst einmal müssen sich die neuen Kunden der Wirtschaftskanzlei von dem eigenen Unternehmen eine, wenn möglich recht hohe Summe auszahlen lassen und diese auf Familienmitglieder übertragen. Die Familienmitglieder würden das Geld dann an den Firmeninhaber zu hohen Zinsen verleihen. Dann fordern sie nach einer gewissen Frist die gesamte Summe des Kredits zurück, wozu der Firmeninhaber, trotz guter Geschäfte, nicht in der Lage ist. Damit wäre dieser jedoch trotz aller Gewinne zahlungsunfähig.

Die Zahlungsunfähigkeit ist die Voraussetzung für die Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Amtsgericht.

Der Firmeninhaber beantragt das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, will heißen, dass bei dieser Form der Pleite er die Geschäfte wie bisher und unter Umständen sogar mit demselben Geschäftsführer fortsetzen kann. Dieses Verfahren bietet dem Unternehmen größere Spielräume zu Verhandlungen mit seinen Gläubigern und anderen Beteiligten. Nun können, wie bereits erwähnt, für die Dauer von bis zu drei Monaten, die Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes finanziert werden. Das sind wiederum Mittel, die von anderen Firmen aufgebracht und durch die Arbeitsverwaltung in Höhe von 60 Prozent vom Nettoentgelt ausgezahlt werden. Zur „Gesundung“ des Unternehmens kann auch die Nichtabführung von Umsatzsteuern, Lohnsteuer und sonstigen Steuern zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Verfahrens beitragen.

So ist es kein Wunder, dass die Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung immer häufiger durchgeführt und mit gesetzlichem Segen völlig „krumme Geschäfte“ getätigt werden, bei denen Geld und Ware, auch öffentliche Mittel, in die Taschen von Firmeninhabern und Rechtsanwälten umverteilt werden.

Beim größten Insolvenzverfahren in Deutschland, der Karstadtpleite, kommt vieles zusammen

Bei der Karstadtpleite geht es um eine Auseinandersetzung, die im Rückblick mittlerweile schon über 18 Jahre andauert.

Ausgründungen, Übernahmeschlachten, Zockereien

Im Oktober 2004 wurde bekannt, dass sich die Karstadt Warenhaus AG, aber auch der gesamte KarstadtQuelle-Konzern in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand. Karstadt kämpfte mit den Problemen, die damals der gesamte Einzelhandel hatte, aber am schlimmsten waren die hausgemachten Schwierigkeiten und die Managementfehler bzw. die immer größer werdende Zockermentalität.

Anfang 2005 wurden die Lebensmittelabteilungen als eigene Karstadt-Feinkost GmbH ausgegründet, an der REWE mit 25 Prozent beteiligt war.

Da die Talfahrt bei Karstadt nicht gestoppt werden konnte, wurden im Sommer 2005 die Handelskette „Runners Point“ und 51 „SinnLeffers“- Modehäuser verkauft, ebenso die 74 Karstadt-Filialen, die weniger als 8.000 qm² Verkaufsfläche auswiesen.

Die Grundstücke und Gebäude der Warenhäuser von KarstadtQuelle gingen dann 2006 an das „Highstreet-Konsortium“ eine Holding mit 51 Prozent Anteil von „Goldmann Sachs, Whitehall“ und 49 Prozent KarstadtQuelle. Das „Highstreet-Konsortium“ arbeitete mit der besonderen Verbriefungsform „Commercial MBS (CMBS)“, abgesichert durch Immobilien. Während die normalen, längerfristigen Darlehen meistens feste Zinssätze und Beschränkungen auf vorzeitige Tilgungen haben, sind bei den „CMBS“ Anlagen kurzfristigere Darlehen normalerweise mit variablem Zinssatz und freier vorzeitiger Tilgung üblich. Weil hier dann die Hypothekenschulden vorzeitig getilgt werden können, sind die Geldflüsse im Voraus nicht berechenbar und können nur grob taxiert werden. Für die zahlreichen und zersplitterten Investoren stellt diese vorzeitige Tilgung immer ein Risiko dar. 2008 verkaufte KarstadtQuelle seine 49 Prozent an ein anderes Konsortium (u.a. Deutsche Bank, Borletti Group, Generali-Gruppe, Pirelli).

Im selben Jahr wurden die Buchhandelsflächen in den Warenhäusern an die „Verlagsgruppe Weltbild/Hugendubel“ vermietet. Dieser einfache Vorgang wurde als „Shop-in-Shop Modell“ hochgejubelt. Als weitere Mieter der Verkaufsflächen kamen dann „WMF, Drogerie-Müller und Rosenthal-Porzellan“ ins Spiel.

Das größte Insolvenzverfahren der Republik beginnt

Als der Warenhauskonzern Karstadt wegen Zahlungsunfähigkeit 2009 den Insolvenzantrag stellte, begann das größte Insolvenzverfahren der Bundesrepublik Deutschland.

Nach dem Insolvenzantrag herrschte auf den Fluren der Essener Konzernzentrale eine Mischung aus Angst- und Aufbruchstimmung. Der vom Gericht eingesetzte Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg wollte den Konzern als Ganzes retten. Doch dafür hätten die Großaktionäre – Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und das Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim – noch einmal Geld ins Unternehmen investieren müssen. Insolvenzverwalter Görg legte dann im April 2010 den Insolvenzplan auf den Tisch, der den Verkauf der Karstadt-Warenhäuser als Ganzes und einen hohen Verzicht auf der Gläubigerseite vorsah. Auch sollten die Mieten gesenkt werden. Dies war aber wegen der zersplitterten Gläubigerstruktur bei dem „Highstreet-Konsortium“ äußerst schwierig durchzusetzen. Das Verfahren zog sich deshalb in die Länge,  ein unmögliches Verhalten, war es doch gerade die riskante Anlageform bei den Konsorten von „Highstreet“, die Karstadt ins Schlingern gebracht hatte.

Für seine Bemühungen soll der Insolvenzverwalter Karl-Heinz Görg 50 Millionen Euro Verwalterkosten erhalten haben.

Die Kommunen, in denen es Warenhäuser gab, wurden aufgefordert, auf die Gewerbesteuer zu verzichten. Dies geschah dann auch ohne großen Widerstand.

Nach einigem Hin und Her mit den 4 Kaufinteressenten erteilte der Gläubigerausschuss dann der „Berggruen Holding“ den Kaufzuschlag. Nicolas Berggruen wurde als Karstadt-Retter und Hoffnungsträger gefeiert. Auch die Mietsenkung bei der „Highstreet-Konsortium“ wurde erreicht.

Nicolas Berggruen kündigte an, dass Karstadt in eine Dachgesellschaft und drei weitere Untergesellschaften rechtlich aufgeteilt werden müsste: in die Sparten Sporthäuser, Premiumhäuser und sonstige Warenhäuser. Dies war seine Bedingung für die Übernahme von Karstadt.

Auf die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wurde nun großer Druck ausgeübt. Der Insolvenzverwalter drängte die Gewerkschaft, den Bedingungen Berggruens zuzustimmen oder er werde Karstadt liquidieren. Die ver.di-Tarifkommission hat dann der Anpassung des Fortführungs-Tarifvertrages für den Fall einer Separierung zugestimmt, vorbehaltlich einiger wichtiger Bedingungen, die vertraglich festgehalten wurden:

– die Tarifverträge des Einzelhandels gelten weiter
– Beteiligungen können nur soweit erfolgen, wie die Mehrheitsanteile und Stimmrechte an bzw. bei der Karstadt Warenhaus Holding bleiben
– Gewinne dürfen nicht entnommen werden, sondern werden umgehend und vollständig reinvestiert

und die separierten Unternehmen bleiben als wirtschaftliche Einheit erhalten.

In dem Sanierungstarifvertrag verzichteten die Beschäftigten zur Rettung des Unternehmens auf rund 150 Millionen Euro bis Ende 2012.

Es wurde nicht nur ver.di zugesichert, sondern auch öffentlich wiederholt erklärt, dass die Separation nicht erfolge, um Teile zu verkaufen und dass es um ein langfristiges Engagement bei Karstadt im Ganzen gehe.

Im Mai 2013 stieg Karstadt aus der Tarifbindung aus und wechselte in die regionalen Arbeitgeberverbände ohne Tarifbindung. Man wollte eine „Tarifpause“ einlegen. Für die Mitarbeiter hieß das, dass die Gehaltserhöhungen bis 2015, die durch Tarifverträge vereinbart werden, entfielen.

Zu diesem Zeitpunkt steckte Karstadt tief in der Krise, die 86 Warenhäuser rutschten in die roten Zahlen, nur die 28 Karstadt-Sport-Filialen und die drei Luxus-Kaufhäuser in Berlin, Hamburg und München liefen gut. Mittlerweile hatten die Karstadt-Beschäftigten auf insgesamt 650 Millionen Euro verzichtet.

Im August, drei Monate nach dem Ausstieg aus der Tarifbindung, gab es aber bereits wieder „informelle Sondierungsgespräche“ zwischen Karstadt und ver.di. Die erste Verhandlungsrunde Ende September blieb so, wie auch die zweite im Oktober, ergebnislos.

Im September 2013 wurde bekannt, dass Nicolas Berggruen die Premium- und Sporthäuser zu je 75,1 Prozent an die österreichische Signa Holding des Investors René Benko verkauft. Mit den Einnahmen sollten die Karstadt-Warenhäuser modernisiert werden.

Im November 2013 durften die Beschäftigten darauf hoffen, in Zukunft wieder nach Tarif bezahlt zu werden. Karstadt und ver.di verständigten sich auf „wesentliche Bausteine eines gemeinsamen Zukunftssicherungstarifvertrags“. Der angestrebte Tarifvertrag sollte die Punkte Beschäftigungs- und Standortsicherung, aber auch die Rückkehr von Karstadt in die Tarifbindung regeln. Die Verhandlungen sollten dann im Januar 2014 weitergeführt werden.

Mitte Februar 2014 sprach ver.di noch von Fortschritten in den Verhandlungen mit Karstadt. Eine Woche später sagte Karstadt die geplanten Gespräche ab, da „Management und Besitzer sich erst beraten möchten“. Anfang März wurde die 5. Verhandlungsrunde ohne Erfolg beendet.

Am 7. Juli 2014 teilte Karstadt mit, dass Eva-Lotta Sjöstedt ab sofort von ihrem Amt als Geschäftsführerin zurücktreten wird. Frau Sjöstedt selbst sagte ziemlich genervt: „Nach eingehender Prüfung, den Erfahrungen der letzten Monate und in genauer Kenntnis der wirtschaftlichen Rahmendaten muss ich nun jedoch feststellen, dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind“. Als Frau Sjöstedt Anfang des Jahres bei Karstadt begann, wurde sie als „Hoffnungsträgerin“ und „Retterin“ gefeiert – genau so, wie damals Nicolas Berggruen, als er nach der Insolvenz Karstadt übernahm.

Der Stern des einst gefeierten Milliardärs Berggruen ist dann schnell gesunken. Die Mehrheit an den Kaufhäusern um das Berliner KaDeWe und den Sport-Geschäften hatte der österreichische Investor René Benko übernommen, ein weltweit agierender Immobilienspekulant. Allein aus der Vermarktung der Namensrechte, die Berggruen sich vor 4 Jahren für 5 Millionen Euro sicherte, soll er monatlich von Karstadt etwa rund eine Million Euro kassiert haben. So sind schnell aus den 5 Millionen, wahrscheinlich schon über 48 Millionen Euro geworden.

Mitte Juli 2014 wurde gemunkelt, dass in der Essener Hauptverwaltung und in der Belieferung Stellen wegfallen sollen. So wären aktuell zwischen 3.500 bis 4.000 der insgesamt noch verbliebenen 17.000 Stellen bei Karstadt gefährdet.

Im August 2014 war es so weit: Die österreichische Signa-Gruppe des Immobilien-Investors René Benko übernahm die Karstadt Warenhaus GmbH, also auch noch die 83 Karstadt-Filialen.

Wieder jammerten alle Beteiligte herum, dass ein „klares Konzept“ fehle und vergaßen dabei, dass das Konzept ganz klar war: möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit aus Karstadt herauszuholen.

Nach den letzten veröffentlichten Zahlen betrug der Verlust im Geschäftsjahr 2011/2012 rund 158 Millionen Euro.

Man sollte nicht vergessen, in diesem Zockerspiel ging es um rund 17.000 Beschäftigte.

Bei dieser Art von Insolvenzverfahren kommt meist ein Investor ins Spiel, der als Retter von den Medien hochgelobt wird. Nach dem Kauf, manchmal für einen symbolischen Euro wird die Verwertung gestartet. Die kurzfristigen Gewinne werden mithilfe der Gewerkschaften erzielt, die um des Ganzen willens dem Abbau von Arbeitsplätzen, Verlängerung der Arbeitszeit, Kürzungen der übertariflichen Leistungen, Lohnsenkungen, nicht vergüteten Überstunden, Auslagerung einzelner Bereiche und dem Einsatz von Leiharbeitern zustimmen. Die folgenden Gewinne generieren sich aus dem Profit oder der Ausschlachtung des Unternehmens.

Bescheidene Sanierungsbemühungen

Die Sanierungsbemühungen hatten in der Zwischenzeit nur bescheidene Erfolge erzielt. Nicolas Berggruen sagte gegenüber der Presse: „Die Häuser, die wir saniert haben, funktionieren nicht besser als die Häuser, die wir nicht saniert haben.“

Am 7. Juli 2014 teilte Karstadt mit, dass Eva-Lotta Sjöstedt ab sofort von ihrem Amt als Geschäftsführerin zurücktreten wird. Frau Sjöstedt selbst sagte ziemlich genervt: „Nach eingehender Prüfung, den Erfahrungen der letzten Monate und in genauer Kenntnis der wirtschaftlichen Rahmendaten muss ich nun jedoch feststellen, dass die Voraussetzungen für den von mir angestrebten Weg nicht mehr gegeben sind“. Als Frau Sjöstedt Anfang des Jahres bei Karstadt begann, wurde sie als „Hoffnungsträgerin“ und „Retterin“ gefeiert – genau so, wie damals Nicolas Berggruen, als er nach der Insolvenz Karstadt übernahm.

Der Stern des einst gefeierten Milliardärs Berggruen war zu diesem Zeitpunkt schon stark gesunken. Er kontrollierte nur noch das kriselnde Kerngeschäft mit den verbliebenen 83 klassischen Warenhäusern. Die Mehrheit an den Luxus-Kaufhäusern um das Berliner KaDeWe und den Sport-Geschäften hatte schon der österreichische Investor René Benko übernommen.

Allein aus der Vermarktung der Namensrechte, die Berggruen sich für 5 Millionen Euro sicherte, soll er monatlich von Karstadt etwa rund 1 Million Euro kassiert haben. So sind schnell aus den 5 Millionen, wahrscheinlich schon über 48 Millionen Euro geworden.

Mitte Juli 2014 wurde dann gemunkelt, dass in der Essener Hauptverwaltung und in der Belieferung Stellen wegfallen sollen. Es seien aktuell zwischen 3.500 bis 4.000 der insgesamt noch verbliebenen 17.000 Stellen bei Karstadt gefährdet.

Immobilien-Investor René Benko übernimmt…

Im August 2014 war es dann so weit: Die österreichische Signa-Gruppe des Immobilien-Investors René Benko übernahm die Karstadt Warenhaus GmbH, also auch noch die 83 Karstadt-Filialen.

Wieder kritisierten alle Beteiligte, dass ein „klares Konzept“ fehle und vergaßen dabei, dass das Konzept ganz klar war: möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit aus Karstadt heraus zu holen.

Nach den letzten veröffentlichten Zahlen betrug der Verlust im Geschäftsjahr 2011/2012 rund 158 Millionen Euro und das Interesse des neuen Investors hat allein den Immobilien gegolten.

… und dann auch Kaufhof

Die zunehmende Tarifflucht im Einzelhandel, gepaart mit dem Missmanagement einzelner Unternehmensleitungen hat dazu beigetragen, dass dann auch der Warenhauskette GaleriaKaufhof die Zahlungsunfähigkeit drohte.

Auch Kaufhof versuchte gegenüber der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di drastische Einschnitte bei Löhnen und Gehältern durchzusetzen. Wie schon bei Karstadt wurde versichert, ein neuer Tarifvertrag sei von existenzieller Bedeutung und notwendig, um wettbewerbsfähig zu sein und die rund 21.500 Arbeitsplätze zu erhalten. Die Beschäftigten sollten wieder einmal durch den Verzicht auf Lohn, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, mit dem Sanierungstarifvertrag, den Fortführungstarifvertrag und der „Tarifpause“ den größten Beitrag zur Gesundung des Skandalkonzerns beigetragen.

GaleriaKaufhof war erst 2015 durch den börsennotierten US-amerikanischen Handelsriesen HBC übernommen worden, kämpft aber seitdem mit schrumpfenden Umsätzen und Verlusten. Zuletzt hatte HBC in seinem Europa-Geschäft einen weiteren Umsatzrückgang um 3,4 Prozent verbuchen müssen.

Dabei war nun wieder die österreichische Signa-Gruppe des Immobilien-Investors René Benko, der übernahm die Karstadt Warenhaus GmbH mit ihren 83 Karstadt-Filialen. Nun bekam er auch Kaufhof, für einen Appel und ein Ei. Im Sommer 2018 stimmte die Hudson´s Bay Company den Verträgen zur mehrheitlichen Übernahme von Galeria Kaufhof durch die Signa Holding zu.

Im November 2018 war dann die Fusion von Kaufhof und Karstadt unter Dach und Fach mit 49,99 Prozent von Hudson Bay und 50,01 Prozent Signa-Holding als Galeria Karstadt Kaufhof.

Kaufhof wegen Zahlungsunfähigkeit in die Insolvenz

Die Entwicklung im Einzelhandel, gepaart mit dem Missmanagement der Unternehmensleitung hat dazu beigetragen, dass auch der Warenhauskette GaleriaKaufhof die Zahlungsunfähigkeit drohte. Schnell war die Rede von einem Verlustbetrag bei Kaufhof in dreistelliger Millionenhöhe.

Anfang 2020 wurde dann das Insolvenzverfahren als Schutzschirm für die GaleriaKarstadtKaufhof GmbH beantragt, die Corona bedingte Schließung hatte als Brandbeschleuniger gewirkt. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen 22.265 Beschäftigte, 10.084 in Voll- und 12.181 in Teilzeit. Nach dem Insolvenzplan sollte der Betrieb langfristig mit 16.350 Beschäftigten weitergeführt werden.

Nachdem der Insolvenzplan von den Gläubigern angenommen wurde, hob das Gericht das Verfahren dann im Sommer 2020 wieder auf, auch für die Tochterunternehmen Karstadt Sports, Karstadt Feinkost, Le Buffet und Dinea.

Schließungspläne

In Betriebsversammlungen erfuhren die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof, dass von 172 Filialen 62 geschlossen werden sollen. Von den Schließungsplänen betroffen waren etwa 6.000 Beschäftigte. ver.di war es in den vorhergehenden Tarifverhandlungen noch gelungen, den ursprünglich geplanten Personalabbau von 10 Prozent auf der Fläche zu verhindern und die Zahl der von Schließung bedrohten Filialen von ursprünglich 80 auf 62 zu reduzieren. Die Gewerkschaft konnte noch durchsetzen, dass die betroffenen Beschäftigten für mindestens sechs Monate in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln konnten, für sie galten die mit den Betriebsräten ausgehandelten Sozialpläne und auch, dass der Flächentarifvertrag erhalten blieb.

Kampf um Erhalt von Filialen und Arbeitsplätzen

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Betriebsräte und die Beschäftigten hatten zum Erhalt von Filialen und Arbeitsplätzen lokale Bündnisse in vielen betroffenen Städten und deren Politikern geschlossen. Es konnte erreicht werden, dass von den ursprünglich 62 Filialen auf der Schließungsliste, 21 Häuser, also ein Drittel, gerettet wurden.

Von den 41 verbliebenen GaleriaKarstadtKaufhof-Schließungsfilialen wurden 35 zum 31. Oktober 2020 und sechs Filialen zum 31. Januar 2021 geschlossen. Insgesamt verloren durch die Schließungen in den Filialen rund 2.500 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Mehr als 1.800 wechselten in die tarifvertraglich vereinbarten Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften. Rund 250 Beschäftigte verloren auch bei Karstadt-Feinkost ihren Arbeitsplatz; etwa 140 von ihnen wechselten in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Von den ursprünglichen 24 Schließungsfilialen bei Karstadt-Feinkost sollten zum Ende Oktober 2020 nunmehr 14 von 50 geschlossen werden.

Die Gewerkschaft ver.di warf der Geschäftsführung und den Insolvenzverwaltern im Umgang mit Karstadt-Sports Unredlichkeit vor, die Forderung nach einer Transfergesellschaft für die Beschäftigten dort wurde gänzlich abgelehnt. Bei Karstadt-Sport wurden 15 von 31 Filialen im Laufe des Oktobers geschlossen und den rund 500 Beschäftigten gekündigt.

Mehrheitsanteilseigner René Benko auf der Sonnenseite

Während tausenden Beschäftigten gekündigt wurde, hatte sich der Mehrheitsanteilseigner René Benko ausgerechnet zu dem Zeitpunkt rund 100 Millionen Euro Dividenden der Muttergesellschaft des Handelskonzerns, der Signa GmbH, ausschütten lassen.

Es wurde auch bekannt, dass die Signa-Holding in den USA noch einmal kräftig investiert hatte, mit einem US-Partner war man dort mit 134 Millionen Euro auf Unternehmenseinkaufstour gegangen.

Handelskette Galeria Karstadt Kaufhof wird filetiert

Mit der Schließung der Filialen verschwanden auch die traditionsreichen Firmennamen und die verbliebenen 131 Verkaufsimmobilien heißen nun einheitlich „Galeria“. Das Ganze wird als „Neustart“ verkauft, was nichts anderes hieß, dass gründlich gekürzt und rationalisiert wurde, um „Synergievorteile“ zu nutzen. Die Lager in Neuss, Dietzenbach und Köln wurden geschlossen wie zuvor schon nach dem Zusammengehen von Karstadt und Kaufhof die Logistikstandorte in Stuttgart, Würzburg, Erfurt, Berlin, Hannover und Frechen. Zentrallager in Essen und Unna sollten nun die Warenhäuser beliefern und das Onlinegeschäft abwickeln. Außerdem wurden vier Regionallager als Umschlagpunkte aufgebaut.

Für die verbliebenen noch etwa 18.000 Beschäftigten sind die Zukunftsaussichten alles andere als rosig. Nach dem Verlust von Arbeitsplätzen an den geschlossenen Lagerstandorten droht ein weiterer Abbau in den Warenhäusern, weil die Sortimente weiter ausgedünnt, Flächen an Fremdanbieter abgegeben und das eigene Geschäft zunehmend ins Internet verlagert wird.

Galeria-Eigen­tümer René Benko, Besitzer des österreichischen Signa-Konzerns begann nach dem „Neustart, dann Galeria zu filetieren und Warenhausimmobilien zu verkaufen. Zehn Immobilien, unter anderem Häuser in Hannover, Bonn und Aachen, die insgesamt einen Wert von etwa einer Milliarde Euro repräsentieren. Das wertvollste Einzelobjekt war dabei das ehemalige Kaufhof-Gebäude in Hannover, das auf ungefähr 200 Millionen Euro geschätzt wird.

„Warenhäuser von Galeria sind definitiv für viele Innenstädte systemrelevante Betriebe, weil unverzichtbare Publikumsmagnete“

Während der Coronapandemie wurden dem Warenhauskonzern über 700 Millionen Euro Kredite aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der Bundesregierung überwiesen.

Schon Anfang 2021 hatte der WSF mit einem Darlehen in Höhe von 460 Millionen Euro unter die Arme gegriffen mit der Begründung, dass die rund 130 Warenhäuser des von der Coronakrise hart getroffenen Konzerns als unverzichtbare Publikumsmagnete in vielen Fußgängerzonen gelten. Natürlich auch mit der Begründung, mit der Unterstützung „leiste die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag, um Arbeitsplätze zu sichern und die aktuell schwierige Lage für das Unternehmen zu überbrücken“.

Im Januar 2022 wurde die Warenhauskette erneut mit Staatshilfen unterstützt. Dabei  handelte es sich um stille Einlagen in Höhe von 250 Millionen Euro, davon 220 Millionen Euro als liquide Mittel.

Geld und Sachwerte sind nicht weg, sondern nur woanders

Im Fall der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH wurde das Insolvenzverfahren vom Amtsgericht aufgehoben, ebenso auch für die Tochterunternehmen.

Es scheint müßig zu sein, nachzurechnen, wie viel Geld und Sachwerte in den vergangenen 18 Jahren aus der einen in die andere Tasche geflossen sind.

Hier handelt es sich nicht nur um staatliche Geldspritzen, Steuerverzicht, Immobilienwerte im Milliardenbereich, den 50 Millionen Euro, die der Insolvenzverwalter Hubert Goerg erhielt, sondern auch um die hohen Lohnsummen, auf die die Beschäftigten verzichteten und die Sozialleistungen für die arbeitslos gewordenen Menschen.

Da sich an den Eigentumsverhältnissen durch die Insolvenzverfahren nichts geändert hat, haben die Eigner über die eingesetzte Geschäftsführung nach wie vor das Sagen und genau das ist der Hemmschuh für alternative Lösungen z.B. für die Fortführung der Unternehmen in Form von Kooperativen oder Genossenschaften von den zuvor dort Beschäftigten. Da bleiben das Geld und die Sachwerte im Betrieb bzw. gehören der Genossenschaft. Für so eine Lösung gibt es genug erfolgreiche Beispiele.

In dem derzeitigen Wirtschaftssystem in Deutschland werden die Insolvenzverfahren der Unternehmen regelmäßig genutzt, um mit gesetzlichem Segen, völlig „krumme Geschäfte“ tätigen zu können. Bei denen Geld und Ware, auch öffentliche Mittel, in die Taschen von Firmeninhabern und Rechtsanwaltkanzleien umverteilt werden und dabei nicht nur die Bank immer gewinnt, sondern bei den Insolvenzen sind die Unternehmen immer die Gewinner.

 

 

 

 

 

 

Quellen: Leibniz-Institut, Allianz, ver.di, DGB Bundesvorstand, Statistisches Bundesamt, AG Schuldner- und Insolvenzberatung, Creditreform, schuldneratlas, BFG 

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