Arbeitskampf oder Tamtam? Zu den Zielen der IG Metall im aktuellen Tarifkonflikt

Von Rolf Geffken

Die IG Metall erweckt im Rahmen des zur Zeit anlaufenden „Arbeitskampfes“ in der Metallindustrie den von vielen Medien kritiklos verbreiteten Eindruck einer Tarifauseinandersetzung von grundsätzlicher Bedeutung. Dabei versucht sie ihre Forderung nach einem individuellen (!) Anspruch (!) auf befristete (!) Verkürzung der Arbeitszeit o h n e vollen Lohnausgleich als Fortsetzung des ehemaligen Kampfes der IG Metall um die 35-Stunden-Woche zu verkaufen. Dies ist – wie der Unterzeichnete als Autor des soeben erschienenen Buches „Legende & Wirklichkeit – Die IG Metall in der Automobilindustrie“ – feststellt eine glatte aber leicht zu durchschauende Irreführung:

1. Dieser Arbeitskampf ist k e i n Kampf um eine (dringend notwendige) allgemeine Arbeitszeitverkürzung. Die von der IG Metall erhobene Forderung ist die erste Arbeitszeitverkürzung, die o h n e vollen Lohnausgleich verlangt wird. Es soll n u r ein „Ausgleich“ gezahlt werden. Diese Ausgleichszahlungen aber machen bei weitem nicht die dadurch entstehenden Lohneinbußen wett.

2. Die Arbeitszeitverkürzung ist keineswegs „allgemein“ sondern soll nur einen individuellen (!) Anspruch (!) auf eine befristete Arbeitszeitverkürzung gewähren. Mit dem von ihr seit längerem eingeschlagenen Weg einer „Individualisierung“ von tarifvertraglichen Regelungen konterkariert die IG Metall über 100 Jahre Tarifgeschichte, indem sie kollektivvertragliche Regelungen auf die Ebene von Arbeitsverträgen verschiebt und eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung gerade verhindert.

3. Die jetzt von der IGM vorgenommene Differenzierung zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen (Teilzeitbeschäftigte werden zB nicht erfaßt) ist eine Steilvorlage für die Arbeitgeber, die sich jetzt zum Antidiskriminierungsapostel aufspielen können.

4. Tatsächlich spaltet die Forderung noch weitere wesentliche Teile der Belegschaften: Werkvertragler und Leiharbeiter bleiben weiter ganz außen vor. Ihre Abspaltung ist mittlerweile so „nachhaltig“, daß noch nicht einmal daran gedacht wird, sie aus dem tariflichen Abseits herauszuholen. Sie werden auch nicht zur Teilnahme an den Streiks aufgerufen.

5. Wir stellen fest: S o kann der Kampf um Arbeitszeitverkürzung nicht geführt werden, a u c h wenn die Beschäftigten natürlich wegen der erhobenen Lohnforderungen Solidarität verdienen. Die IG Metall aber betreibt eine Tarifpolitik, die die einzelnen Beschäftigtengruppen letztlich spaltet.

 

Näheres dazu in: „Legende & Wirklichkeit“, Cadenberge 2018 ISBN: 9783924621179 Bestellungen im Buchhandel oder unter ratundtat@drgeffken.de

Rolf Geffen ist seit 40 Jahren Fachanwalt für Arbeitsrecht und war selbst lange Jahre Gewerkschafter.

Bild: IGM