Schlagwort-Archive: Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik

Artikelserie Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik: III – Hausarbeit

Von Ingo Schmidt

Kochen und backen, schneidern und flicken, putzen und waschen, auf Kinder aufpassen, um Kranke und Alte kümmern – Arbeiten, die seit Tausenden von Jahren zur Reproduktion menschlichen Lebens beitrugen, aber erst mit der Entwicklung des Kapitalismus zu Hausarbeit wurden – als unbezahlter Gegenpol zur Lohnarbeit. Bewegungen der Lohnarbeiter gegen die kapitalistische Ausbeutung reichen bis ins frühe 19.Jahrhundert zurück.

Die Hausarbeit wurde erst in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts zu einer Arena politischer Konflikte. Eine autonome Frauenbewegung, die sich sowohl gegenüber der proletarischen als auch der bürgerlichen Frauenbewegung abgrenzte, stritt darüber, ob Hausarbeit produktiv sei und entlohnt werden sollte. Sie erprobte Formen des Zusammenlebens und -arbeitens jenseits der bürgerlichen Kleinfamilie und suchte den Schulterschluss mit Subsistenzbäuerinnen in den kapitalistischen Peripherien.

An die Stelle der Proletarisierung, von der sich die Arbeiterbewegung Zulauf erhoffte, setzte die autonome Frauenbewegung die Hausfrauisierung. Frauen seien die letzte Kolonie, ohne deren Ausbeutung Kapitalismus und Patriarchat nicht bestehen könnten. Artikelserie Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik: III – Hausarbeit weiterlesen

Artikelserie zu Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik: (II – Industriearbeit)

Von Ingo Schmidt

Früher war Proletariat, heute ist Prekariat. Bestenfalls. Mit der Industrie hat der Kapitalismus nicht nur ungeahnte Produktiv- bzw. Profitkräfte geschaffen, sondern auch seinen Totengräber, Massen verelendeter Proletarier, die sich zu einer Klasse vereinigen und die industriellen Produktivkräfte in eigener Regie übernehmen würden. So wollte es die Theorie. Doch soweit ist es nicht gekommen.

Immerhin reichten die Kämpfe und Organisation verschiedener Arbeitergruppen, mehrheitlich, aber nicht ausschließlich in der großen Industrie beschäftigt, zur Durchsetzung sozialer Reformen: Arbeitszeitregelungen und die Verknüpfung von Lohnarbeit und dem Erwerb von Versorgungsansprüchen im Falle von Krankheit, Arbeitsunfähigkeit und Alter schufen das Normalarbeitsverhältnis, aus dem die heutigen Prekarier ausgeschlossen sind – eine Minderheit, die in Teilzeit arbeitet, oft befristet, mit begrenztem oder gar keinem Zugang zur Sozialversicherung.
In den letzten Jahren haben eine Reihe linker Akademiker und Aktivisten die Prekarier als potenzielle Basis einer neuen sozialen Bewegung entdeckt. Von Massen, gar einer breiten Mehrheit der Bevölkerung, deren historische Mission die Überwindung von Ausbeutung und Klassenherrschaft sei, ist dabei allerdings nicht die Rede. Das Prekariat wird in die anderen, gegenüber der alten proletarischen Bewegung weiterhin als neu bezeichneten sozialen Bewegungen eingereiht. Ein weiteres Steinchen der Mosaiklinken, von der niemand weiß, was sie im Innersten zusammenhält. Es ist ein Fortschritt, sich nicht an die Vorstellung von Klasseneinheit und dem unaufhaltsamen Übergang zum Sozialismus zu klammern, wenn Klassenfragmentierung und Niederlagen proletarischer und anderer sozialer Bewegungen die reale Welt kennzeichnen. Artikelserie zu Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik: (II – Industriearbeit) weiterlesen

Artikelserie zu Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik – Unsichtbare Hände (I)

Von Ingo Schmidt

Zwei Behauptungen – oder moderner: Narrative – strukturieren so ziemlich alle wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten dieser Zeit. Die eine geht von einem Arbeitskräftemangel aus, der gegenwärtig das Wirtschaftswachstum beschränke und zukünftige Rentenzahlungen bedrohe. Rückläufige Geburtenraten werden als Hauptursache dieses Mangels genannt. Die politischen Schlussfolgerungen: Anhebung des Renteneintrittsalters, Verlängerung der Arbeitszeiten, Erhöhung der Zahl der Erwerbstätigen. Insbesondere Frauen sollen statt oder zusätzlich zur Hausarbeit Erwerbsarbeit leisten. Arbeitskräfte werden im Ausland angeworben.

Andererseits wird als Folge der Digitalisierung ein drastisch sinkender Bedarf an Arbeitskräften vor­aus­gesagt. Es werde zu technologischer Arbeitslosigkeit kommen. Verlängerte Lebens- und Wochenarbeitszeiten, höhere Erwerbsquoten und Einwanderung würden diese nur schlimmer machen. Eher sei über eine Entkopplung von Arbeit und Einkommen nachzudenken. Stichwort garantiertes Mindesteinkommen, möglicherweise finanziert durch Maschinensteuern. Artikelserie zu Formen gesellschaftlicher Arbeit und Klassenpolitik – Unsichtbare Hände (I) weiterlesen