Deutsche Kolonialpolitik in Griechenland – der Ausbau der neoliberalen Hegemonie Deutschlands in Gesamteuropa schreitet voran

Schon vor dem Regierungswechsel 2015 in Griechenland war die Strategie klar. Die Existenz einer funktionierenden Links-Regierung in der Europäischen Union (EU), die wohlmöglich gegen die Austeritätspolitik kämpfen und die politische und wirtschaftliche Vormachtstellung Deutschlands infrage stellen könnte, konnte unter keinen Umständen geduldet werden. So drehten die Kreditgeber und der Bundesfinanzminister Schäuble den Spieß um und arbeiteten daran, Griechenland zum Modell für ihre neoliberalen Pläne für Gesamteuropa zu machen.

Die Kredite und die Memoranden waren von Anfang an politisch nicht neutral, sondern wurden instrumentalisiert und hier konnte man nach dem Regierungswechsel den Hebel ansetzen. Die Kreditvergabe wurde noch strenger als zuvor an eine breite und unkontrollierte Treuhandschaft gebunden und die direkte Einmischung in Landesangelegenheiten ausgeweitet, die weit über die fiskalischen Regelungen hinausging.

Am Beispiel Fraport kann man vieles festmachen, da es hier um Ausplünderung des ge-schundenen Landes bei gleichzeitigem Aufbau der Hegemonie der deutschen Luftfahrtindustrie in der EU geht.

Die Privatisierung von griechischem Staatsbesitz wurde in den Memoranden festgeklopft und war eine der wesentlichen Bedingungen für die Verlängerung der griechischen Staatversschuldung. Der deutsche Finanzminister drängte darauf, eine Behörde nach dem Muster der deutschen Treuhandgesellschaft einzurichten, die den Kahlfraß der wirtschaftlichen Landschaft im Osten Deutschlands erfolgreich vorführte. Der Privatisierungsfonds wurde dann auch in Griechenland eingerichtet. Anschließend schloss der Flughafenbetreiber Fraport, der mehrheitlich der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen gehört und seit 2001 an der Börse notiert ist, mit diesem Privatisierungsfonds einen Konzessionsvertrag ab, mit einer Laufzeit von über 40 Jahren. Der Vertrag betrifft den Flughafen in Thessaloniki und die 13 lukrativsten Inselflughäfen, darunter Korfu, Kefalonia, Mykonos, Rhodos und Santorini.

Fraport ließ sich unglaublich gute Bedingungen in den Vertrag schreiben:  So wird Fraport einmalig 1,2 Milliarden Euro und jährlich einen Mietzins von 22,9 Millionen Euro an den Taiped-Fonds zahlen, die für die Schuldentilgung eingesetzt werden sollen. Statt der zugesagten 1,2 Milliarden Euro sind bis heute tatsächlich nur 600 Millionen Euro gezahlt worden. Fraport wird von der einheitlichen Immobiliensteuer (Enfia) sowie von kommunalen Gebühren befreit und außerdem wurden drei neue Gebühren eingeführt, die an den Flughäfenbetreiber fließen sollen. Er soll innerhalb der ersten vier Jahre Investitionen von 330 Millionen Euro leisten und der griechische Staat soll dagegen für Schäden an den übertragenen Werten innerhalb der Laufzeit aufkommen. Griechenland haftet ebenfalls für Umweltverträglichkeitsprüfungen und entsprechende Anpassungen der Ausrüstung.

Fraport ist berechtigt, für Kosten oder entgangene Gewinne durch Änderungen des Rechtsrahmens (z.B. für Arbeitsverträge), Streik oder Verzögerungen beim Luftverkehr Entschädigungen zu fordern. Für Personen- und Sachschäden und für Todesfälle haftet ebenfalls der Staat und muss auch für Entschädigungen von entlassenen Arbeitern und für Firmen, die von Fraport gekündigt werden, aufkommen. Der griechische Staat ist auch dazu verpflichtet, die Erteilung von Visen und Aufenthaltserlaubnissen von Arbeitern außerhalb der EU zu erleichtern.

Im Vertrag finden sich viele weitere Beispiele, bei denen der griechische Staat öffentliche deutsche Unternehmen entschädigt. Werden Gesetze zulasten des Unternehmens geändert oder steigen die Strom- oder Telekommunikationskosten, entschädigt der Staat, auch Steuern und Abwassergebühren muss Fraport nicht zahlen.

Ein „unabhängiger Ingenieur“, der von Fraport bezahlt wird, kann in Zukunft das gesamte Projekt beaufsichtigen und dabei griechische Behörden wie die der Luftfahrt ersetzen. Dieser „Ingenieur“ kann auch bei Streitigkeiten über Finanzen und Leistungen schiedsrichterlich einschreiten, wofür wiederum der griechische Staat aufzukommen hat.

Wie das in der Praxis funktioniert wird an diesem Beispiel deutlich:

Der „unabhängige Ingenieur“ erstellte ein Gutachten und danach forderte Fraport nun 70 Millionen Euro Schadensersatz für durchgebrannte Lampen, kaputte Türen und für fehlende oder nicht funktionierende Feuerlöscher. Die Summe ist bei weitem höher, als Athen mit dem Verkauf der Staatsbahn an die italienische Ferrovie Anfang September eingenommen hat (45 Millionen Euro) oder als die 30 Millionen Euro, die die griechische Regierung 2018 bei den Heizkostenzuschüssen für in bitterer Armut lebende Familien einsparen soll.

Im Geschäftsbericht für die ersten neun Monate 2017 hat Fraport mitgeteilt, dass die seit April eingerechnete Tochter Fraport Greece etwa 180 Millionen Euro zum Umsatzanstieg auf 2,2 Milliarden Euro beisteuerte. Mit 106 Milliarden Euro hatte sie schon ein Achtel zum Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von insgesamt 808 Millionen Euro beigetragen.

Die Gewerkschaft der staatlichen Angestellten des Flughafens (SYKATH) sowie die Föderation der griechischen Arbeiter der zivilen Luftfahrt (OSYPA) haben von Anfang an gegen den Vertrag mit Fraport gearbeitet. Nach vielen Aktionen, die den Vertrag nicht verhindern konnten, setzen sie nun auf die Klage, die sie beim obersten Zivil- und Strafgericht eingereicht haben. Die Gewerkschaft der staatlichen Angestellten des Flughafens kann nur bedingt agieren, weil sie nur für die Beschäftigten zuständig ist, die den gesamten Verkehr in der Luft kontrollieren und weiterhin vom Staat bezahlt werden. Sie hat kein Recht, für andere zu verhandeln.

Des Weiteren wird der Widerstand eingeschränkt, weil bei Fraport bewusst die Belegschaft zersplittert wurde und es keine kollektiven Verträge gibt. Die Menschen im Bodenbereich arbeiten überwiegend bei den Unternehmen Goldair Handling und Swissport, werden mit 250-300 Euro im Monat abgespeist, haben oft nur Verträge für einen Tag oder einen Monat und können jederzeit von den eigenen Fraport-Arbeitern ersetzt werden, die vom kleineren Flughafen Kavala kurzfristig nach Thessaloniki gefahren werden.

Diese Ausbeutung der Beschäftigten findet in einem Umfeld statt, das durch die systematische  Zerschlagung der Arbeitsrechte und den massiven Sozialabbau in den vergangenen Jahren 10 Jahren geprägt ist.

Im Frühjahr 2017 sah es in Griechenland so aus:

  • der Mindestlohn beträgt 3,35 Euro pro Stunde,
  • 1,5 Millionen Menschen sind offiziell arbeitslos,
  • 46 Prozent Arbeitslosigkeit unter den bis 24-Jährigen,
  • 30 Prozent Arbeitslosigkeit bei den bis 34-Jährigen,
  • Umwandlung von rund 150.000 Vollzeit- in Teilzeitstellen,
  • Lohneinkommen ist um 27 Prozent seit Krisenbeginn gesunken,
  • 50 Prozent der griechischen Haushalte sind auf die Rente als Haupteinnahmequelle angewiesen,
  • Prekarisierung und Verarmung verbreiten sich weiter,
  • das Gesundheitssystem ist kollabiert,
  • Dauer und Wirkung von Tarifverträgen sind erheblich eingeschränkt,
  • der Internationale Währungsfonds (IWF) möchte weitere Veränderungen im Arbeitsrecht, um als Geberinstitution in Griechenland einzusteigen

und der damalige Finanzminister Schäuble hält an seiner Zielvorgabe eines jährlichen primären Haushaltsüberschusses von 5,5 Prozent des BIP über fünf Jahre fest. Das bedeutet konkret eine weiterhin blutige Kürzungspolitik und eiserne Austerität.

Begleitet wird die menschenverachtende Politik der Bundesregierung von dem Expansionskurs der deutschen Luftfahrtindustrie. Die Deutsche Lufthansa will mittelfristig rund ein Drittel des europäischen Marktes kontrollieren. Die Kürzungen bei der Belegschaft und Absprachen mit dem Flughafenbetreiber Fraport haben der Lufthansa die Rekordgewinne verschafft, die jetzt in den Kauf von Konkurrenten investiert werden können. Nach der umstrittenen Übernahme von Air Berlin, bei der die  Bundesregierung Regie geführt hat und die nach Ansicht anderer Airlines gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstieß, soll der Aufkauf von Teilen der Alitalia den Expansionskurs der Lufthansa beflügeln.

 

Der große Fraport-Deal mit Griechenland ist nur ein kleiner Mosaikstein in den Plänen der Bundesregierung für den Aufbau der neoliberalen Hegemonie Deutschlands in Gesamteuropa.

 

 

Quelle: German Foreign Policy, nd.de,hellas-report, griechenland-blog

Bildbearbeitung: L.N.