Schlagwort-Archive: Flüchtlingspolitik

Warum Ankerzentren eine schlechte Idee sind

Von Max Klöckner

Schon bald will das Bundesinnenministerium (BMI) einen Plan für die Errichtung der sogenannten AnkER (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungs)-Zentren vorlegen. Deutlich wird: Den Fokus legt die Regierung vor allem auf das Wort Rückführung.

In den neuen Ankerzentren sollen nach dem Willen des Innenministers zunächst alle ankommenden Schutzsuchenden untergebracht werden. Dieses Vorhaben wird gleich mehrere schwerwiegende Folgen haben: Die Isolation in solchen Zentren behindert die Integration derjenigen, die in Deutschland bleiben werden. Flüchtlingen fehlt der Zugang zu Beratungsstrukturen oder Rechtsbeistand – viele von ihnen werden in der Praxis sowohl im Asylverfahren als auch bei drohender Abschiebung ohne Hilfestellung dastehen. Und Großunterkünfte für Flüchtlinge sind stigmatisierende Zeichen der Ausgrenzung, sie werden häufig zum Kristallisationspunkt von Hasskampagnen. Warum Ankerzentren eine schlechte Idee sind weiterlesen

„Flüchtlingskrise“ und autoritäre Integration – zu einigen Aspekten der Reorganisation staatlicher Kontrollpolitiken

Von Gruppe Blauer Montag 

Der folgende Text ist der Zwischenstand einer Diskussion, die wir seit Ende 2015 unter uns und mit einigen Freundinnen und Freunden geführt haben. Ausgangspunkt war zum einen der Versuch, die Tag für Tag erfahrbare Widersprüchlichkeit staatlichen Handelns in der sogenannten Flüchtlingskrise auf den Begriff zu bringen. Zum anderen leitete uns ein Unbehagen angesichts einer Willkommensszenerie, die einerseits mit bewundernswertem Engagement praktische Unterstützung organisierte, sich andererseits aber – teilweise sehr bewusst – politisch abstinent verhielt. Zu diesem Unbehagen gehört, dass in unserer Wahrnehmung auch die politische Linke – uns eingeschlossen – einigermaßen sprachlos blieb, zumindest aber den politischen Herausforderungen nicht im Ansatz gewachsen zu sein schien.

Wir haben die Diskussion stark aus einer Hamburger Perspektive geführt, nicht zuletzt, weil hier die Auseinandersetzung mit Not-in-my-backyard-Initiativen, die vorrangig gegen die Einrichtung von Unterkünften gerichtet waren, große stadtpolitische Bedeutung hatte. Eine weitere Einschränkung des Papiers besteht darin, dass die Perspektiven der Geflüchteten weitgehend außerhalb der Betrachtung bleiben. Das hat damit zu tun, dass sich widerständige Bewegungs- und Organisierungsversuche tendenziell eher untergründig, in sich widersprüchlich und vielfach sehr partiell und isoliert abspielen, was durch das oft schnell vergebene Etikett der „Autonomie der Migration“ mehr überdeckt denn erklärt wird. Dies systematisch in den Blick zu nehmen, würde eine politische Untersuchungsarbeit und Interventionspraxis notwendig machen, die uns überfordert.

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Von der Willkommenskultur zum Abschiebungswettbewerb

Von welcome2wuppertal

Vorbemerkung: Dieser Artikel wurde von einer antirassistischen Aktivistin geschrieben, die seit Ende der 1990er Jahre Migrationsbewegungen und die Kämpfe Geflüchteter beobachtet und unterstützt. Seit anderthalb Jahren arbeitet sie zudem (wieder) als hauptamtliche Flüchtlingsberaterin in einer westdeutschen Großstadt. Die Veränderungen im öffentlichen Diskurs, in der Wahrnehmung Geflüchteter wie auch den Resonanzboden der Diskurse auf der legislativen Ebene des Asyl- und Aufenthaltsrechts bekam sie sehr direkt mit – in ihrem Arbeitsalltag wie in ihrem politischen Umfeld. Trotzdem ist dieser Artikel eine sehr subjektive Sicht auf gegenläufige Entwicklungen, die von einer weiterhin relativ „flüchtlingsfreundlichen“ Grundstimmung in der städtischen Zivilgesellschaft und einem mittlerweile europaweiten hegemonialen neu-rechten Diskurs, der auf Abschottung und Abschiebung zielt, geprägt sind.

In diesem Artikel versucht sie, die enorme Diskrepanz zwischen dem, was sie in ihrer politischen Arbeit wie auch in ihrer bezahlten Beratungsarbeit erlebt, dem, was gleichzeitig politisch diskutiert wird und dem, was ihr politisch notwendig scheint zu skizzieren. Von der Willkommenskultur zum Abschiebungswettbewerb weiterlesen

Neue Ausgabe von der PRO ASYL-Ausstellung „Asyl ist Menschenrecht“ ist da

PRO_ASYL_Ausstellung_Cover_RGB_web_Sep16„In vielen Teilen der Welt werden Menschen Opfer von Krieg, Gewalt und Verfolgung, von Diskriminierung, Not und Perspektivlosigkeit. Gegenwärtig sind über 65 Millionen Menschen auf der Flucht, mehr als je zuvor. Darunter befinden sich viele, die besonders verletzbar sind: Kinder, Schwangere, Alte und Kranke.

Seit der ersten Ausgabe unserer Informationsausstellung zum Thema Flucht und Asyl im Dezember 2014 ist viel geschehen, eine grundlegende Überarbeitung war daher nötig. Die nun fertig gestellte zweite Ausgabe beinhaltet weitreichende Aktualisierungen, viele komplett neu erarbeitete Themen sowie eine umfassende Erweiterung des gesamten Informationsangebots.

Aufgrund der großen Nachfrage ist die PRO ASYL-Ausstellung „Asyl ist Menschenrecht“ nun in einer neuen Ausgabe erhältlich. Sie soll wissensbasiertes Verständnis für Flüchtlinge und ihre Situation vermitteln und das Bewusstsein über die Allgemeingültigkeit und die Unteilbarkeit von Menschenrechten stärken. Neue Ausgabe von der PRO ASYL-Ausstellung „Asyl ist Menschenrecht“ ist da weiterlesen

Amnesty International: DAS ASYLPAKET II – MENSCHENRECHTE IN GEFAHR

FlüchltingeAmnesty International: „Die Koalition berät seit Anfang November intensiv über das sogenannte „Asylpaket II“. Amnesty und andere Organisationen haben die ersten konkreten Informationen hierzu durch einen Referentenentwurf vom 19.11.2015 erhalten. Diese sind alarmierend: Sie lassen befürchten, dass das Asylpaket II grundlegende Prinzipien von fairen Asylverfahren in Frage stellt und damit das Recht, Asyl zu suchen, aushöhlt. Im Folgenden machen wir auf die Aspekte aufmerksam, die menschenrechtlich sowie rechtstaatlich bedenklich sind: Schnellverfahren ohne Beratung, Kein Schutz für besonders schutzbedürftige Personen, Schnellverfahren als neue Standardverfahren, Abschiebung in die Verfolgung, Erschwerte Familienzusammenführung – sicherer und legaler Zugangsweg wird erneut verschlossen, Abschiebung von traumatisierten Menschen.

Am 3. Februar hat sich die Koalition auf das sogenannte „Asylpaket II“ geeinigt und im Kabinett beschlossen. Wie schon zu befürchten war, stellt das Asylpaket II grundlegende Prinzipien von fairen Asylverfahren in Frage und höhlt damit das Recht, Asyl zu suchen, aus“.

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In Dortmund ist man dabei eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu etablieren – gleichzeitig macht die EU die Grenzen noch mehr zu

FlüchltingeMomentan kommen etwa 50 bis 60 Flüchtlinge pro Woche in Dortmund an, die die Stadt auf Zuweisung der Landesregierung unterbringen muss.

Um Konflikte zu vermeiden, um Verständnis zu werben und eine Willkommenskultur zu etablieren, betreibt die Stadt eine offensive Informationspolitik. Als ein besonderes Zeichen der Willkommenskultur wurden von mehreren Bezirksvertretungen in Dortmund gleichlautende Anträge zur Hilfestellung für die Arbeit mit den Flüchtlingen verabschiedet, die interfraktionell, über alle Parteigrenzen hinweg, eingebracht wurden.

Das ist zu begrüßen und war überfällig.

Scheinbar unbemerkt konnte es passieren, dass Flüchtlingen, großenteils schon traumatisiert, von Anfang 2013 bis September 2014 von Sicherheitskräften in der Erstaufnahemeeinrichtung misshandelt wurden. Trotz der speziell eingerichteten Task Force der Polizei schafften es in der vergangenen Woche vierzig Neonazis unbemerkt zu einer Flüchtlingsunterkunft in Dortmund-Eving zu kommen, um dort als tobender Mob Flüchtlinge und Anwohner zu bedrohen. Vermummt und mit brennenden Fackeln in der Hand, hatten sie vor einem Asylbewerberheim ausländerfeindliche Parolen skandiert und Angst und Schrecken verbreitet.

Die Stadt Dortmund und auch die Betreuungsverbände haben die Pflicht, die Menschen vor erneuter Traumatisierung und Bedrohung zu schützen. Aber auch die Bürger in Dortmund müssen über die Flüchtlings- und Abschottungspolitik informiert werden und auch darüber, was aus dem Grundrecht „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ geworden ist.

Wer die tödlichen Hindernisse, die den Flüchtlingen in den Weg gelegt werden, überwunden hat und in Dortmund eintrifft, benötigt besonderen Schutz, Sicherheit und Fürsorge. In Dortmund ist man dabei eine Willkommenskultur für Flüchtlinge zu etablieren – gleichzeitig macht die EU die Grenzen noch mehr zu weiterlesen