BAuA-Arbeitszeitbefragung: Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten in Deutschland

„Die tatsächlichen Arbeitszeiten von Beschäftigten in Deutschland stimmen häufig nicht mit ihren Arbeitszeitwünschen überein. Auch über längere Zeiträume gelingt längst nicht allen Beschäftigten eine Verwirklichung ihrer Präferenzen. Dabei kann eine auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Arbeitszeit die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben erleichtern, Überlastungen vorbeugen, aktuelle und zukünftige Einkommenssituationen verbessern und einem Arbeitskräftemangel entgegenwirken. Während Verkürzungs- und Verlängerungswünsche schon lange im Mittelpunkt der arbeitszeitpolitischen Diskussion stehen, wirft der Wandel in der Arbeitswelt auch neue Fragen auf: So ist bislang nur wenig über die Präferenzen von Beschäftigten hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten und Entgrenzung von Arbeit und Privatleben bekannt.

Arbeitszeit zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Die Gestaltung der Arbeitszeit gehört zu den zentralen Fragestellungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Dabei geht es um die Dauer und Lage von Arbeitszeiten und Ruhezeiten sowie um die Planbarkeit und Beeinflussbarkeit der persönlichen Arbeitszeiten. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit – vor dem Hintergrund des Wandels der Arbeitswelt – wirft hierbei neue Fragen auf, die es gilt, faktenbasiert und differenziert zu beantworten.

  • 2017 wünschten sich abhängig Beschäftigte in Deutschland im Durchschnitt eine 35-Stunden-Woche, wenn sie den Umfang ihrer Arbeitszeit mit den entsprechenden finanziellen Konsequenzen selbst wählen könnten.
  • Im Durchschnitt lag dabei die gewünschte wöchentliche Arbeitszeit vier Stunden unter der tatsächlich Geleisteten.
  • Etwa die Hälfte der Befragten (49 Prozent) möchte die Arbeitszeit verkürzen; rund jeder Zehnte (12 Prozent) hat einen Verlängerungswunsch. Ähnliche Wünsche äußerten abhängig Beschäftigte bereits in der Arbeitszeitbefragung 2015. Diese und weitere Ergebnisse enthält der Bericht „BAuA-Arbeitszeitbefragung: Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten in Deutschland“, den die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) jetzt veröffentlicht hat. Dabei zeichnet der Bericht anhand aktueller Daten ein differenziertes Bild über Wunsch und Wirklichkeit bezüglich der Arbeitszeit von abhängig Beschäftigten in Deutschland.

Häufig weichen die tatsächliche Arbeitszeit und die Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten voneinander ab.

  • Dabei kann eine Arbeitszeit, die auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt ist, die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben erleichtern, Überlastungen vorbeugen sowie die Einkommenssituation verbessern. Für den Bericht „BAuA-Arbeitszeitbefragung: Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten in Deutschland“ wurden Daten von abhängig Beschäftigten der ersten beiden Erhebungswellen 2015 und 2017 analysiert. Neben Faktoren wie Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, zeitlichem Handlungsspielraum oder der Trennung von Arbeit und Privatleben geht der Bericht auch auf die Umsetzung von Arbeitszeitwünschen und Zusammenhängen zwischen Arbeitszeitdiskrepanzen und der Gesundheit und Zufriedenheit von Beschäftigten ein.

Bei den Verkürzungswünschen zeigen sich Unterschiede zwischen verschiedenen Beschäftigtengruppen.

  • Bei Vollzeitbeschäftigten entspricht häufig die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit dem Wunsch der Beschäftigten. Hier liegt aber häufig die tatsächlich geleistete Arbeitszeit deutlich über der vereinbarten und gewünschten Arbeitszeit.
  • Verlängerungswünsche gibt es vor allem bei Teilzeitbeschäftigten und Beschäftigten, deren Einkommen nicht ausreicht, um über die Runden zu kommen.
  • Während Frauen ihre Arbeitszeiten stärker an persönliche Verpflichtungen wie Kinder oder Pflegeaufgaben anpassen, weisen die Arbeitszeiten von Männern auch in unterschiedlichen Lebensphasen eine hohe Konstanz auf.
  • Männer und Frauen in allen Lebensphasen wünschen sich darüber hinaus einen höheren Handlungsspielraum bezüglich ihrer Arbeitszeiten. Zudem ist drei Vierteln der Beschäftigten die Trennung von Arbeit und Privatleben wichtig.

Ein Vergleich der Daten aus den Jahren 2015 und 2017 zeigt, dass längst nicht alle Beschäftigten ihre Wunschvorstellungen umsetzen konnten.

  • Zwei von fünf Beschäftigten mit Verkürzungswunsch konnten die Arbeitszeit tatsächlich verkürzen, für 31 Prozent verlängerte sich die Arbeitszeit hingegen sogar.
  • Bei den Beschäftigten, die ihre Arbeitszeit beibehalten wollten, erfüllte sich der Wunsch für ein Drittel, bei jeweils einem weiteren Drittel nahm die Arbeitszeit zu beziehungsweise ab.
  • Zwei Drittel der Beschäftigten konnten ihren Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit verwirklichen, jedoch verkürzte sich bei einem Sechstel (17 Prozent) die Arbeitszeit.
  • Insbesondere Beschäftigte mit Verkürzungswunsch schätzen ihre Gesundheit schlechter ein und berichten häufiger über gesundheitliche Beschwerden, wie Rücken- oder Kreuzschmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit oder körperliche Erschöpfung, als Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit beibehalten oder verlängern wollten.
  • Gleichzeitig sind Beschäftigte mit Verkürzungswunsch seltener mit der Work-Life-Balance und der Arbeit insgesamt zufrieden.
Fazit

Ziel dieses Reports war es, einen umfassenden Überblick über die Arbeitszeitwünsche und Arbeitszeitrealitäten von Beschäftigten in Deutschland im Hinblick auf Länge, Flexibilität und Entgrenzung zu geben. Im Fokus standen dabei auch die Realisierung von Arbeitszeitwünschen sowie Zusammenhänge mit Gesundheit und Zufriedenheit.

Die Betrachtung von Arbeitszeitwünschen und -diskrepanzen aus einer Lebensphasenperspektive weist auf wichtige politische und betriebliche Gestaltungsansätze hin. So kann eine gute Arbeitszeitgestaltung, die sich an den Wünschen von Beschäftigten orientiert, dabei helfen, die vielfältigen Anforderungen im Arbeits- und Privatleben in Einklang zu bringen. Dies ist insbesondere in Lebensphasen, in denen Familienaufgaben wie Kinderbetreuung zentral sind, wichtig. Beschäftigte, die regelmäßig Pflegeaufgaben übernehmen, scheinen sich hinsichtlich ihrer Arbeitszeitwünsche nicht allzu stark von anderen Beschäftigtengruppen zu unterscheiden. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass bei intensiven Pflegeaufgaben ein Teil der Beschäftigten zumindest zeitweise aus dem Erwerbsleben ausscheidet (Schmidt & Schneekloth, 2011). Dies könnte insbesondere der Fall bei einer geringen Passung von Arbeitszeitwünschen und Arbeitszeitrealität sein.

Hinsichtlich der Länge der Arbeitszeit überwiegen nach wie vor Verkürzungswünsche, die etwa die Hälfte der Beschäftigten äußern. Bislang reduzieren insbesondere Frauen mit Kindern ihre Arbeitszeit – allerdings nicht immer im gewünschten Ausmaß. Eine Berücksichtigung der Wünsche von Beschäftigten ist jedoch für Männer und Frauen in allen Lebensphasen wichtig. Entscheidend dabei ist, dass neben der Arbeitszeit auch die Arbeitsbelastung reduziert wird, da nur so eine reale Entlastung der Beschäftigten möglich ist. Bemerkenswert ist, dass sich viele Beschäftigte eine Arbeitszeit wünschen, die ihrer vertraglich vereinbarten entspricht. Daher liegen auch in der Reduktion von dauerhaften Überstunden und Mehrarbeit Potenziale für einen Abbau von Arbeitszeitdiskrepanzen.

Über einen Zeitraum von zwei Jahren konnten allerdings längst nicht alle Beschäftigten ihren Verkürzungswunsch realisieren. Insbesondere im Hinblick auf das Wohlbefinden von Beschäftigten ist die Überbeschäftigung problematisch, denn sie hängt mit Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben zusammen. Verlängerungswünsche sind dagegen deutlich seltener und kommen überwiegend bei Teilzeitbeschäftigten vor. Bei Verlängerungswünschen besteht eine größere Wahrscheinlichkeit für eine Auflösung der Diskrepanz zwischen gewünschter und tatsächlicher Arbeitszeit. Als Hinderungsgründe geben Beschäftigte besonders häufig an, dass Arbeitgeber oder Vorgesetzte eine Verlängerung nicht zulassen. Inwiefern die geplante Einführung der Brückenteilzeit, die Beschäftigten unter bestimmten Umständen einen Rechtsanspruch auf eine Rückkehr in Vollzeit bietet, zukünftig die Entstehung von Arbeitszeitdiskrepanzen verhindern kann, kann auf Grundlage der hier betrachteten Daten nicht beantwortet werden. Auch familiäre oder private Gründe stehen einer Verlängerung oft im Weg. Dies deutet darauf hin, dass für viele Beschäftigte mit Verlängerungswunsch die vorhandenen Betreuungs- und Pflegeangebote keine Alternative darstellen, die es ihnen erlauben würde, länger zu arbeiten.

Auch im Hinblick auf den zeitlichen Handlungsspielraum klaffen Wünsche und Realitäten oft auseinander. Dabei ist Beschäftigten insbesondere der Einfluss auf Urlaub oder ein paar Tage freinehmen wichtig, aber auch der Einfluss auf Arbeitsbeginn und -ende sowie ein paar Stunden freinehmen. Tatsächlich haben die meisten Beschäftigten allerdings deutlich weniger Arbeitszeitsouveränität als sie sich wünschen. Gerade bei Frauen mit kleinen Kindern ist diese Diskrepanz besonders hoch. Wenn der tatsächliche Einfluss hinter dem gewünschten zurückbleibt, zeigen sich Beeinträchtigungen der Gesundheit und Zufriedenheit von Beschäftigten. Viel Einfluss ist dagegen mit einem höheren Wohlbefinden assoziiert. Auch wenn der vorliegende Bericht keine kausalen Schlüsse zulässt, sollten Arbeitgeber ihren Beschäftigten – je nach Art der Tätigkeit und individuellen Bedürfnissen – möglichst viel zeitlichen Handlungsspielraum gewähren.

Unabhängig von der jeweiligen Lebensphase wünscht sich die Mehrheit der Beschäftigten eine Trennung von Arbeit und Privatleben. Diese Präferenz sollte bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden. Erfreulicherweise ist eine solche Trennung bei den meisten Tätigkeiten auch möglich. Dabei scheint es wenig problematisch zu sein, wenn die Möglichkeiten zur Trennung von Arbeit und Privatleben die Präferenzen von Beschäftigten übersteigen. Umgekehrt haben Beschäftigte, die Arbeit und Privatleben trennen möchten, dazu aber nicht die Möglichkeit haben, eine wesentlich schlechtere Gesundheit und Zufriedenheit. Daher sollten Arbeitsplätze auch zukünftig gute Möglichkeiten für eine Trennung beider Lebensbereiche bieten. Dort, wo die Tätigkeit oder der Aufgabenbereich es erfordern, die Trennung von Arbeit und Privatleben aufzugeben, sollten Spielregeln in Betrieben ausgehandelt werden, die durch entsprechende tarifliche Vereinbarungen flankiert werden können. Doch auch auf übergeordneter Ebene muss der Beschäftigtenschutz sichergestellt werden. Somit können auch gesetzliche Rahmenbedingungen Beschäftigte, die Arbeit und Privatleben trennen möchten, darin unterstützen und sie vor einer unerwünschten Entgrenzung schützen.“

Den Bericht gibt es im Internetangebot der BAuA unter www.baua.de/publikationen.

 

Quelle: BAuA (2018). BAuA-Arbeitszeitbefragung: Arbeitszeitwünsche von Beschäftigten in Deutschland. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/F2398-4.pdf?__blob=publicationFile&v=7

Bild: pixabay cco