Die Idee Schlanker Staat hat sich blamiert – Ein Ausblick auf den DGB Personalreport 2020

Das Statistische Bundesamt hat am 18. September aktuelle Zahlen zu den Beschäftigten im öffentlichen Dienst veröffentlicht. Der DGB Personalreport nimmt sie unter die Lupe, er erscheint in diesen Tagen. Das BM gibt einen ersten kurzen Einblick. Im Fokus stehen in diesem Jahr die Personalausstattung der Gesundheitsämter sowie die Arbeit beim IT-Dienstleister der hessischen Landesverwaltung.

4,88 Millionen Menschen arbeiteten am Stichtag 30.06.2019 im öffentlichen Dienst. Im Vergleich zum Vorjahr sind das 81.945 zusätzliche Beschäftige. Dieses Plus konzentrierte sich aber vor allem auf drei Bereiche: Hochschulen (plus 17.865), Polizei (plus 6.890) und kommunale Kindertagesstätten (plus 12.365). 45 Prozent des Zuwachses fand in diesen drei Aufgabenbereichen statt. Und in einzelnen Bereichen wurde weiter Personal abgebaut. So hat der kommunale Aufgabenbereich Bauen zwischen 2012 und 2019 insgesamt 10.369 Stellen eingebüßt. Allerdings ist es schwer, anhand dieser abstrakten Zahlen eine bedarfsgerechte Personalausstattung abzuschätzen. Und es müsste einbezogen werden, dass 27 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst 2019 älter als 55 Jahre waren und damit in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand gehen.

Stresstest Corona

Die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes wurde wiederum eindrücklich im Zuge der Corona-Pandemie deutlich. Für die KollegInnen der Rettungsdienste, Polizei, Jobcenter, Krankenhäuser, Gesundheitsämter, aber auch in Schulen und Kitas waren die vergangenen Monate ein Stresstest. Das öffentliche Leben stand Kopf, und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst hielten und halten den Laden am Laufen. Beispiel IT: „Während der ersten Corona-Phase wurde von hier aus sichergestellt, dass 40.000 Beschäftigte des Landes mobil arbeiten können. Was da geleistet wurde, kann man unseren KollegInnen gar nicht hoch genug anrechnen“, erklärt Holger Nickel im Personalreport. Er arbeitet als Softwareentwickler für die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), seit Mai ist er dort Personalratsvorsitzender. Ohne die Arbeit der IT-SpezialistInnen wäre die hessische Landesverwaltung im Lockdown nicht arbeitsfähig geblieben, ist er sich sicher.

Ein Stresstest ist Corona auch für die Gesundheitsämter. Seit Anfang des Jahres kämpfen dort HygieneinspektorInnen, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, ArzthelferInnen, Verwaltungsangestellte und ÄrztInnen dafür, die Ausbreitung der Pandemie zu bremsen. Dass sie in Deutschland bisher im Vergleich glimpflich verläuft, ist nicht zuletzt ihnen zu verdanken. Das findet auch Christine Scherzinger, selbst Amtsärztin und Vorsitzende des Hauptpersonalrats im Sozialministerium Baden-Württemberg. Besonders das absolute Wir-Gefühl in ihrem Gesundheitsamt in Baden-Baden habe sich bei ihr eingeprägt: „Das war toll. Alle haben mitgezogen. Dass die KollegInnen innerhalb kürzester Zeit so eine Leistung erbracht haben – aus dem Stand, das hat mich wirklich beeindruckt. Viele von denen, die ich schon lange kenne, haben fast Tag und Nacht gearbeitet.“ Auch am Wochenende sei gearbeitet worden, auch bis spät abends. Über Monate. „Da müssen wir jetzt durch, wir machen das jetzt“, erklärt Scherzinger das Motto der Beschäftigten.

In der Ausnahmesituation Corona wurden oft pragmatische Lösungen gefunden. Wie an vielen anderen Orten wurde auch in Baden-Baden Personal aus anderen Verwaltungsbereichen zur Verfügung gestellt. Das war für die Kontaktpersonennachverfolgung hilfreich, allerdings mussten diese temporären Kräfte vom Stammpersonal auch angelernt werden.

Nachwuchskräfte händeringend gesucht

Corona offenbarte vielerorts eine löchrige Personaldecke. Auch in beiden untersuchten Praxisfeldern besteht Personalbedarf. Und es ist enorm schwer, gut qualifizierte Nachwuchskräfte zu finden. Der IT-Dienstleister HZD zum Beispiel sei mitten drin im demografischen Wandel, erklärt Holger Nickel. Innerhalb der nächsten fünf Jahre würde ein Drittel der Beschäftigten den Betrieb altersbedingt verlassen. Die Rekrutierung sei aber schwierig, weil die Gehälter mit denen der Wirtschaft verglichen würden. Selbst bei hochkarätigen Stellen sei die Bewerberlage oft dürftig.

Hier helfen nur gute Einkommens- und Arbeitsbedingungen. Nickel verweist hier auf die erstrittene neue Entgeltordnung mit einer IT-Regelung, durch die mehr Geld in der Tasche der KollegInnen lande. Daneben punkte die HZD aber auch durch weitere Benefits: „Die Arbeit ist sinnvoll und sicher. Die technische Ausstattung ist ordentlich. Wir haben das Jobticket für ganz Hessen, was für die PendlerInnen wichtig ist. Und die Vereinbarkeit Beruf und Familie läuft gut“, so sein positives Fazit.

Auch in den Gesundheitsämtern ist es schwierig, Fachkräfte zu gewinnen. Die Situation habe sich durch den Ärztemangel zugespitzt, weil die Bezahlung im Vergleich etwa zu Kliniken nicht attraktiv sei, erklärt Scherzinger: „Ich habe sehr viele Stellenausschreibungen miterlebt, wo die BewerberInnen toll und interessiert und geeignet waren, dann aber wegen der Bezahlung abgesagt haben. Das soll nicht heißen, dass wir wenig verdienen, aber im Vergleich funktioniert es nicht. Schließlich sind die ÄrztInnen im Öffentlichen Gesundheitsdienst keine ÄrztInnen zweiter Klasse.“ Als sie 1990 im Gesundheitsamt Raststatt angefangen habe, sei die Arbeit noch ein begehrter Job gewesen, weil ÄrztInnen dort halbtags arbeiten konnten. Mittlerweile ist das auch an Kliniken möglich.

Neujustierung staatlicher Aufgaben

Die Personalausstattung bleibt Baustelle. In den Gesundheitsämtern fehlen ÄrztInnen, aber auch anderes Personal. Immerhin haben die Eindrücke der letzten Monate klargestellt, dass die KollegInnen dort nicht dauerhaft im Krisenmodus arbeiten können. Dem Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst folgend sollen in den nächsten zwei Jahren 5.000 neue Stellen in den rund 400 Ämtern geschaffen werden. Das ist ein richtiger Schritt, denn die Corona-Krise hat die Bedeutung einer stabilen öffentlichen Infrastruktur bestätigt.

„Das Leitbild des schlanken Staates hat sich in dieser Krise blamiert. In den letzten Monaten aufgehäufte Mehrarbeit und unzähligen Überstunden zeugen davon“, kommentiert dann auch DGB-Vize Elke Hannack den aktuellen Report. Und fordert: „Was jetzt folgen muss, ist die Neujustierung staatlicher Aufgaben, und dabei muss insbesondere die Personalausstattung Thema sein.“

Im öffentlichen Dienst fehlt Personal an vielen Stellen. Selbst in der kommunalen Kinderbetreuung bleiben auch der seit 2012 geschaffenen knapp 70.000 Stellen zum Trotz weiterhin Lücken. Und nicht nur in der IT, sondern auch in vielen anderen technischen Berufen herrscht akuter Personalmangel. Fakt ist also: Der aktuelle Zuwachs bedeutet noch lange keine Trendwende.

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Dieser Artikel nimmt Bezug auf den DGB Personalreport 2020, der am 19. Oktober auf www.dgb.de/beamte veröffentlicht wird.

 

 

Quelle: https://www.dgb.de/themen/

Bild: ver.di