Kurzarbeitergeld: das Geschenk an die Konzerne – europaweit

Schon kurz nach der vorherigen weltweiten Wirtschaftskrise, die als „Finanzkrise“ bezeichnet wurde, hatte sich in der EU herum gesprochen, dass ein massives Kurzarbeitergeld-Programm, wie es von Deutschland in den Jahren 2007 bis 2009 aufgelegt wurde, eine wirksame Maßnahme für die Entlastung der Unternehmen sein kann. Sie können mithilfe der Kurzarbeit und den flexiblen Arbeitszeitmodellen ihre Belegschaft passgenau an die Auftragslage anpassen. Der Kündigungsschutz trägt dazu bei, dass die gut ausgebildeten Beschäftigten für eine Zeit lang nicht mehr im Unternehmen arbeiten, beim neuen Aufschwung aber wieder eingesetzt werden, ohne dass neue Fachkräfte angelernt und ausgebildet werden müssen.

Mittlerweile stehen die Gewerkschaften und Betriebsräte ganz offen zu den Kurzarbeitergeld-Programmen und sehen dies, genau so wie die Leiharbeit, als gemeinsames Steuerungsinstrument in den Betrieben.

Durch das staatliche Kurzarbeitergeld, gespeist aus dem Topf der Arbeitslosenversicherung, werden die Unternehmen um bis zu 100 Prozent von den Lohnkosten und Sozialbeiträgen entlastet, während die Beschäftigten Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Dieses Prinzip wird seit April 2020 durch das SURE-Programm der Europäischen Union ausgebaut, bei dem die Mitgliedsstaaten billige Kredite aufnehmen könnten, um befristete Kurzarbeitsregelungen zu finanzieren.

Im Mai 2020 waren in Deutschland etwa 6 Millionen Menschen in Kurzarbeit, im September 2020 waren es 2,22 Millionen mit steigender Tendenz im neuen Jahr 2021.

Das viel gelobte Kurzarbeitergeld ist eine Leistung der Arbeitslosenversicherung und so ausgelegt, wie eine Risikoversicherung. Sie soll, wenn der „Schadensfall“, also die Arbeitslosigkeit eingetreten ist, diesen dann so schnell wie möglich wieder beenden. Das Geld wird nicht direkt von der Bundesagentur an die Beschäftigten ausbezahlt, sondern geht zunächst an die Unternehmen, die es dann an die Menschen, für die Kurzarbeit angemeldet wurde, weitergeben. Die Zahlung ist mit entsprechenden Verhaltensobliegenheiten verbunden, beispielsweise mit entsprechenden Vermittlungsaktivitäten.

Der Versicherungscharakter sollte die Beschäftigten eigentlich vor der Willkür der Unternehmen schützen, aber weil die Arbeitslosenversicherung paritätisch von den Unternehmen und Beschäftigten finanziert wird, wurde auch eine gleichberechtigte Mitsprache den Unternehmen gewährt und das ganze unter eine staatliche Oberaufsicht gestellt.

Im Rahmen der Hartz-IV-Gesetzgebung ist die Kontrolle der Gewerkschaften über die Verwendung der Gelder dann praktisch ganz beendet worden und der Staat entscheidet über das Geld der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. So ist es möglich, dass der Bundestag unlängst beschließen konnte, den Unternehmen nicht nur das Kurzarbeitergeld zu erstatten, sondern auch noch die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung, die sie nach der früheren Rechtslage weiter hätten zahlen müssen. Diese zusätzlichen Kosten werden jetzt auch noch aus dem Topf der Gelder genommen, in den Beschäftigten einbezahlt haben, als eine weitere Transaktion an die Unternehmen.

Unter dem Strich sind besonders die unteren Lohngruppen und prekär Beschäftigten die Gekniffenen, wie die vorherige Krise schon zeigte, bei der die Kurzarbeit vor allem den höheren Lohngruppen zugute kam, besonders in dem Bereich Autoindustrie, dort, wo die Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Unternehmen besondern intensiv gelebt wird.

Das deutsche, angeblich so erfolgreiche Kurzarbeitergeldprogramm hat sich mittlerweile europaweit herumgesprochen. Im April 2020 hat die Europäische Union das Programm Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency/Europäisches Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) aufgelegt, ein Programm, bei dem die Mitgliedstaaten billige Kredite aufnehmen können, um befristete Kurzarbeitsregelungen zu finanzieren.

Kreditprogramm EU-SURE

Die Europäische Kommission erkannte recht schnell, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu einer ernsten Bedrohung für die Unternehmen in der EU werden könnten, da die Kapazitätsauslastung drastisch einbrach. Die Befürchtung kam auf, dass ohne staatliche Unterstützung, viele Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit entlassen werden müssten.

Um den Unternehmen unter die Arme zu greifen und Massenentlassungen in der Krise möglichst zu verhindern, sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Mitgliedsstaaten billige Kredite aufnehmen können, um befristete Kurzarbeitsregelungen zu finanzieren und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie möglichst einzudämmen. Auch dies war mit der  Hoffnung verbunden, wenn ein Wirtschaftsaufschwung einsetzen sollte, könnten die Unternehmen schnell auf die qualifizierten Arbeitskräfte setzen und den Konkurrenzvorteil nutzen.

Die Initiative mit dem Kreditprogramm SURE zur finanziellen Unterstützung von Kurzarbeitsregelungen in ihren Mitgliedsstaaten wurde im April 2020 mit einem Rahmen von rund 100 Milliarden Euro gestartet. Zur Finanzierung dieses Instruments hat die Kommission Sozialanleihen ausgegeben. SURE wird als ein Sozialprogramm vorgestellt, das es den Beschäftigten ermöglichen soll, trotz der Krise ihren Arbeitsplatz zu behalten. Es unterstützt Kurzarbeitsregelungen und ähnliche Maßnahmen und hilft den Mitgliedstaaten dabei, Arbeitsplätze zu sichern und damit Beschäftigte und Selbstständige vor dem Risiko von Arbeitslosigkeit und Einkommensverlusten zu schützen. Dass vor allem die Großunternehmen davon profitieren, wird von allen Beteiligten als Win-Win-Situation betrachtet. Tatsächlich retten jedoch die einzelnen EU-Länder die Unternehmen. Denn es ist letztendlich der Staat, der ihnen die Gelder stellt, um die Beschäftigten finanziell halbwegs abzufedern.

Das 100 Milliarden Euro Programm

Die finanzielle Unterstützung der Unternehmen erfolgt in Form von Darlehen, die die EU den Mitgliedsstaaten zu günstigen Bedingungen gewährt. Diese Darlehen sollen den Mitgliedsstaaten angesichts coronabedingt plötzlich steigender öffentlicher Ausgaben zur Erhaltung von Arbeitsplätzen helfen. Konkret soll den EU-Ländern dadurch ermöglicht werden, die Kosten zu decken, die ihnen unmittelbar durch die Finanzierung nationaler Kurzarbeitsregelungen sowie ähnlicher Maßnahmen für Selbstständige entstehen, die sie in Reaktion auf die derzeitige Corona-Pandemie ergriffen haben. Ergänzend können über SURE auch gewisse gesundheitsbezogene Maßnahmen – insbesondere am Arbeitsplatz – finanziert werden, um eine sichere Rückkehr zu einer normalen Wirtschaftstätigkeit zu gewährleisten.

Die im Rahmen des SURE-Programms an die einzelnen Länder vergebenen Darlehen sind durch ein System freiwilliger Garantien seitens der Mitgliedsstaaten abgesichert. Der Beitrag der einzelnen Staaten zum Gesamtvolumen der Garantie entspricht ihrem relativen Anteil am gesamten Bruttonationaleinkommen (BNE) der Europäischen Union gemäß dem EU-Haushalt 2020.

Nach dem jüngsten Kommissionsvorschlag beläuft sich die finanzielle Unterstützung im Rahmen von SURE somit auf insgesamt rund 90,3 Milliarden Euro.

Der Rat hat bereits insgesamt 87,9 Milliarden Euro zur Unterstützung von 17 Mitgliedstaaten genehmigt. Darüber hinaus schlug die Kommission am 16. November 2020 eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro für Irland vor, die der Rat noch genehmigen muss. 31 Milliarden Euro wurden bereits an Italien, Spanien, Polen, Griechenland, Kroatien, Litauen, Zypern, Slowenien, Malta und Lettland ausbezahlt.

Die Europäische Kommission hat die zweite Tranche der finanziellen Unterstützung in Höhe von 14 Milliarden Euro an neun EU-Länder ausgezahlt. Im Rahmen der heutigen Transaktionen erhält Griechenland 2 Milliarden Euro, Italien weitere 6,5 Milliarden Euro, Kroatien 510 Millionen Euro, Lettland 120 Millionen Euro, Litauen 300 Millionen Euro, Malta 120 Millionen Euro, Slowenien 200 Millionen Euro und Spanien weitere 4 Milliarden Euro.

Es fällt auf, dass eine ganze Reihe von Ländern wie etwa Deutschland, Niederlande, Österreich, Dänemark oder Finnland in der Auflistung fehlen. Der Grund dafür ist, sie können sich Kredite auf den Finanzmärkten deutlich billiger leihen.

Kurzarbeitergeld als staatliche Unterstützung für Konzerne

Wie schon in den vorherigen Krisen bekommen die großen Konzerne auch heute wieder die von ihnen geforderte staatliche Unterstützung, ohne jegliche Bedingung.

Während die nationalen Regierungen in der EU großzügig die Unternehmen päppeln, als gäbe es kein Morgen und die EU-Staaten wegen der nationalen Staatsschulden und großen staatlichen Defizite aus der vorherigen Krise in leere Kassen schauen, lassen die Unternehmen mit ihren Investoren die Sektkorken knallen und investieren nicht in die Betriebe, sondern bauen noch mehr Schattenbanken auf, tricksen mit Aktienrückkäufen, geben riesige Ausschüttungen an die Aktienbesitzer aus und horten, wie Dagobert Duck, so viel Bargeld, wie noch nie zuvor.

Alle Beteiligten wissen, von wem die Defizite bezahlt werden, nämlich von den Beschäftigten selbst, denen die Sozialleistungen gestrichen werden, die höhere Steuern zahlen und auf eine angemessene Lohnerhöhung verzichten müssen.

Ernüchternd ist auch die Erzählung vom erfolgreichen Arbeitsplatzmanagement mithilfe des Kurzarbeitergeldes – es gilt der alte Grundsatz: Je länger eine Krise anhält, desto zahlreicher werden die Entlassungen.

 

 

 

Quellen: Jacobin, DGB, IG Metall, europa.de

Grafik: europa.de