„Stimme der Nordstadt” – Berichte aus dem Arbeitsleben in Krisenzeiten

Die folgenden Berichte aus dem Arbeitsleben in Krisenzeiten sind der  Dortmunder Stadtteilzeitung „Stimme der Nordstadt“  entnommen, einer Internetzeitung deren Ziel es ist, das Zusammenleben in der Stadt zu stärken, Menschen, Sprachen und Kulturen einander näher zu bringen und ein Sprachrohr zu sein, um die Menschen, ihre Probleme und Bedürfnisse zu thematisieren, die Probleme des Zusammenlebens zu erkennen und Lösungen und wirkliche Alternativen vorzuschlagen.

Die Zeitung soll das liebe Lächeln der Freundschaft und Höflichkeit sein. Das symbolische Zusammenleben in der Schule, auf der Straße, im Betrieb und im gesamten Alltag soll ein Zeichen gegen Faschismus, Rassismus und Fundamentalismus jeglicher Art und Herkunft sein.

I. Arbeiterbrief:

 

Hallo, liebe Leserinnen,

 

ich war seit ca. 5 Jahren bei einem deutschen Unternehmen als Köchin eingestellt. Ich möchte euch heute über die Probleme, die ich im Rahmen meiner Arbeit erlebt habe, berichten. Ich arbeite bei einer Kinderschutzfirma. Nach fünf Jahren Arbeit wollte mein Arbeitgeber in diesem Jahr mir kündigen.

 

Meine Firma siedelte in diesem Jahr am 1. Mai um und ich habe in der neuen Adresse weitergearbeitet. Aber wie? Als erstes wurde, obwohl ich einen unbefristeten Arbeitsvertrag hatte, mir gesagt: “ Geh zum Arbeitsamt und melde dich dort an. Wir müssen dir leider kündigen. Du darfst nach einem Monat nicht mehr hier arbeiten.” Als Erstes dachte ich mir natürlich, dass ich Opfer von willkürlicher Praxis wurde und sie mich kündigen wollten, weil ich Migrantin war. Denn ich dachte mir, dass sie sich wohl dachten, dass Migranten ihre Rechte nicht kannten. Als ich die Kündigung mündlich ausgesprochen bekam, entgegnete ich sofort, dass ich mindestens drei Monate Kündigungsschutz hätte, damit ich in dieser Zeit nach einer neuen Arbeit suchen könnte und dass sie verpflichtet sind, mir eine andere Arbeit im Betrieb zuzuweisen. Daraufhin wurde mir gesagt, dass die Firma verkleinert würde und mein Arbeitsplatz wegfiele und sie mir keine andere Arbeit zuweisen könnten. Als ich nach meiner Abfindung gefragt habe, begegneten sie mir, dass ich kein Anrecht auf eine Abfindung hätte, da die Firma sich verkleinerte. Ich sagte daraufhin, dass ich erst mit meinem Anwalt sprechen wollte und danach handeln werde. Darauf schwiegen sie.

 

Ich wendete mich an den Gewerkschaftsanwalt und schilderte ihm meinen Fall. Er sagte mir, dass mein Arbeitgeber kein Recht darauf hätte, mich sofort zu kündigen. Er müsste mir vor meiner Kündigung mindestens eine andere Arbeit im Unternehmen angeboten haben. Als ich den Betriebsrat über meinen Fall informierte, wurde mir gesagt, dass der Arbeitgeber mich nicht ohne Weiteres kündigen darf und der Betriebsrat kümmerte sich ohne zeitliches Verzögern um meinen Fall. Mir wurde eine andere Arbeit zugewiesen und ich darf jetzt weiterarbeiten.

 

Ich will den Namen meiner Firma nicht nennen, da ich damit verbundene zukünftige Probleme vermeiden möchte. Obwohl ich schon lange in diesem Unternehmen tätig bin, bekomme ich nur den Mindestlohn. Wenn ich meinen Arbeitgeber daraufhin anspreche, bekomme ich die Antwort, dass ich kein Abschlusszeugnis hätte und nicht qualifiziert wäre. Egal wie gut wir Migrantinnen auch in Deutschland arbeiten mögen oder wie erfahren wir auch in dem ausgeübten Beruf sind, wird uns immer wieder vorgehalten, dass wir kein Abschlusszeugnis hätten. Ich schreibe diesen Brief, um anderen MigrantInnen von meinen Erfahrungen zu berichten.

 

Liebe Frauen wir alle erleben derartige oder ähnliche Probleme bei der Arbeit. Wenn wir uns vereinen, alle gemeinsam handeln und unsere Rechte verteidigen, nur dann sind wir alle in der Lage ein erfolgreicheres Leben zu führen.

 

Eine Arbeiterin aus Dortmund

 

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II. Mehr Arbeit während der Pandemie aber der Lohn immer noch gleich

REINIGUNGSKRAFT ÖZER ERKLÄRT, DASS DIE ARBEITSBEDINGUNGEN SICH DRASTISCH VERSCHLECHTERT HABEN, REINIGUNGSKÄFTE VIEL MEHR ARBEITEN MÜSSEN UND KEINEN GERECEHTEN LOHN FÜR DIE ARBEIT ERHALTEN UND KEINE RECHTE HABEN

 

Yasemin Özer ist verheiratet und ist Mutter von drei Kindern. Sie arbeitet seit vier Jahren als Reinigungskraft. Seit einem Jahr wird Özer an einer Schule als Reinigungskraft eingesetzt. Ihr Arbeitsvertrag schrieb bis vor kurzem vor, dass ihre Arbeitszeit 3 Stunden 15 Minuten am Tag betragen würde. Da aber ihre Arbeit immer länger dauerte, wurde die Arbeitszeit um 15 Mi-nuten verlängert. Trotzdem würde sie am Tag vier Stunden arbeiten, also eine halbe Stunde mehr als im Vertrag vorgesehen wird. Yasemin Özer bekommt aber trotz der 4 stündigen Arbeitszeit den Lohn von 3,5 Stunden ausgezahlt und erzählt: „Obwohl wir am Tag im Durchschnitt 4 Stunden lang arbeiten, bekommen wir den Lohn für 3,5 Stunden ausgezahlt.“ Sie fügt des weiteren hinzu: „Die Angestellten der Stadt, die die selbe Arbeit machen, bekommen doppelt so viel Lohn. Dazu arbeiten sie auch noch weniger als ich. Bei den Leihfirmen ist das halt immer der Fall. Ich putze 10 Schulklassen, 3 Korridore, 7 Toiletten und 2 Treppenhäuser.

Dazu kommt noch, dass Lehrerzimmer und das Putzen der Tische. Es ist unmöglich das alles in 3,5 Stunden zu schaffen.“

 

Yasemin Özer erzählt auch, dass sie aufgefordert worden ist, während der Pandemiezeit zusätzliche Tätigkeiten zu verrichten. Sie soll in dieser Zeit zusätzlich zu ihren Aufgaben noch Tür- und Fensterklinken etc. putzen. Damit diese Arbeit sauber und hygienisch verrichtet werden kann, würden eigentlich 2 Personen benötigt. Özer meint: „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Hygienevorschriften so eingehalten werden. Wenn wir uns beschweren, wird uns gesagt, dass man da gar nichts machen kann. Unsere Firma zahlt uns kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Die anderen, die bei der Stadt eingestellt sind, erhalten diese Zusatzzahlungen. Die Mitarbeiterinnen der Stadt haben während der Coronazeit Masken und Handschuhe bekommen. Ich bekam erst nach drei Monaten meine Maske. Ich habe versucht, mich nach eigenen Möglichkeiten zu schützen.“

 

Yasemin Özer möchte auch die gleichen Rechte wie die Beschäftigten der anderen Firmen haben und fordert, dass ihre Arbeitszeit neugeregelt und ihr Lohn nach der Neuregelung bestimmt wird. (Dortmund/SdN)

 

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WIR UNTERHIELTEN UNS MIT YASIN BULUT, (BESCHÄFTIGTER BEI CONTINENTAL UND MITGLIED DER IG- METALL MIGRANTENKOMMISSION) ÜBER DAS ARBEITSLEBEN WÄHREND DER CORONA-PANDEMIE. YASİN BULUT ERKLÄRT, DASS SIE SCHON VOR DEM CORONAVIRUS IN EINER KRISE GESTECKT HABEN UND SIE DIE PANDEMIE ALS VORWAND VORGESCHOBEN HABEN, UM IN KURZARBEIT ZU WECHSELN.

DIE BESCHÄFTIGEN BEI CONTINENTAL BANGEN UM IHRE ZUKUNFT:

III. Die Krise hat nichts zu tun mit dem Coronavirus

Das weltbekannte Unternehmen der Automobilindustrie Continental plant weltweit insgesamt 20.000 Arbeitsstellen und in Deutschland 13.000 Arbeitsplätze zu streichen. Der seit 20 Jahren bei Continental beschäftigte Yasin Bulut erklärt, dass das Unternehmen jetzt versuchen würde, den geplanten Arbeitsplatzabbau durch die Zahlung von Abfindungen zu fördern.

 

Der stellvertrende Betriebsrat und Vertrauensmann Yasin Bulut ist gleichzeitig auch aktiv in der Migrantenkommission der IG-Metall. Er erzählt uns, dass in seiner Fabrik Diesel- und Benzinpumpen für Autos hergestellt werden, die Bojen genannt werden. Er fügt noch hinzu, dass Continental planen würde 13.000 Arbeitsstellen in Deutschland zu streichen und weltweit insgesamt 20.000 Arbeitsstellen abzubauen. Yasin Bulut erklärt: “Wenn es jetzt auch eine Krise gibt, dürfen sie niemanden bis Ende 2021 entlassen.“ In diesem Betrieb werden gerade 816 Arbeiter beschäftigt. Die meisten Betriebszugehörige sind schon seit mindestens 20-30 Jahre lang in diesem Betrieb tätig. Sie haben also eine gesetzliche Kündigungs-frist von mindestens 7 Monaten und sie, der Betriebsrat, hätten bei der letzten Betriebsversammlung auch diese Information an die Arbeiter weitergegeben.

DIE PRODUKTION WIRD GEDROSSELT

Nach Yasin Bulut muss das Unternehmen, um weiterhin bestehen zu können, die Produktion drastisch drosseln. Das würde die Entlassung von 400 MitarbeiterIinnen voraussetzen. Die meisten wären schon älter und würden ca. zwischen 20-30 Jahren betriebszugehörig sein. Deswegen hätte das Unternehmen den MitarbeiterInnen einen Sozialplan unterbreitet. Nach die-sem Sozialplan würde erwartet, dass diese langjährigen MitarbeiterInnen „3 Jahre aktiv und 3 weitere Jahre passiv“ beschäftigt würden.

 

Nachdem die Belegschaft mit diesem Sozialplan einverstanden war, wurde der Sozialplan unterzeichnet. Das Unternehmen hätte zuvor alle die kündigen wollten ohne Augenzwinkern vor die Tür gesetzt. “Jetzt zahlen sie Abfindungen und fördern damit freiwillige Kündigungen seitens der ArbeiterInnen”. Bulut meint zudem noch: “Für den Fall, dass bis Ende 2021 nicht 400 ArbeiterInnen gekündigt würden, würden betriebsbedingte Entlassungen bevorstehen. Dann würde nach einem neuen Sozialplan auf das Alter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Beschäftigten geguckt und demnach neue Kündigungen ausgesprochen.

 

Die Beschäftigten würden gerade außerordentlich unruhig sein. „Die Kollegen stehen gerade unter einem großen psychischen Druck. Da viele der MitararbeiterInnen ein hohes Durchschnittsalter erreicht haben, fragen sich die meisten Kollegen, was sie nach der Entlassung machen sollen. Viele haben sich ein Eigentumshaus gekauft oder haben Kredite aufgenommen. Wenn sie entlassen würden, werden sie zahlungsunfähig und in den Ruin getrieben“, erklärt er.

 

BILLIGE ARBIETSKRAFT WAR IHR GRUND

 

Yasin Bulut erklärt, dass der Sicherunsgvertrag bis 2021 gelte und im Jahre 2012 unterschrieben wurde und der eigentliche Grund für die Schließung der Standorte in Deutschland und die Verlagerung der Produktionsstätten in andere Länder, nur auf die billige Arbeitskraft in diesen Ländern zurückzuführen ist. Der Produktionsplan sieht vor, den Betrieb nach Rumänien zu verlagern. Hier soll auch das neue Continentalzentrum entstehen. Yasin Bulut erklärt, dass dieser Entschluss lange vor der Pandemie gefallen sei und deswegen auch nichts mit der Coronapandemie zu tun hat. „Diese Krise hat nichts zu tun mit der Coronapandemie. Nach dem Dieselabgasskandal verringerte sich unsere Produktion, da wir davor Pumpen für Dieselmotoren hergestellt hatten. Deswegen waren wir von dem Skandal auch direkt betroffen. Diese Krise gab es also auch schon vor Corona. Das Coronavirus nehmen sie jetzt als Vorwand, um in Kurzarbeit zu gehen. In der Zeit der Kurzarbeit kriegt der Arbeitgeber riesige Summen vom Staat subventioniert. Wenn sie 3 Kollegen beschäftigen, zahlt ihnen der Staat den Lohn von 7 Beschäftigten. Das wird bis Ende des Jahres so weitergehen. Was danach kommt, wissen wir noch nicht.“

(Übersetzung: Özgür Metin Demirel)

 

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IV. Das Leben mit Maske

VON SİNAN ÖZTÜRK

Ich arbeite als Dozent bei den Deutschkursen. Nach einer langen Pause wegen Pandemie nahm ich meinen Job am ersten Juni wieder auf, obwohl viele Schulen erst Mitte August mit dem Unterricht begonnen haben. Wir waren mitten im Sommer, als ich mit dem Unterricht anfing, und wenn ich es mit der jetzigen Zeit vergleiche, scheint es mir im Sommer positiver verlaufen zu sein. Vielleicht war diese Atmosphäre auf die Jahreszeit zurückzuführen.

 

Seitdem muss jeder im Schulgebäude eine Maske tragen. Die beim Betreten der Klasse getragenen Masken werden nach dem Betreten der Klassentür entfernt. Die zunehmende Anzahl von Fällen hat die Strenge der Maßnahmen jetzt jedoch wieder erhöht, und jetzt ist auch während des Unterrichts eine Maske erforderlich. Die Sitzordnung im Klassenzimmer ist anders als zuvor. An jedem Tisch sitzt nur ein Teilnehmer. Die Abstände zwischen den Tischen liegen innerhalb der 1,5 m Regeln. Bevor der Unterricht beginnt, werden alle Tische im Klassenzimmer von dem Lehrer desinfiziert, der in diesem Klassenzimmer unterrichtet. Deshalb putze ich jeden Morgen alle Tische und öffne die Fenster, bevor ich mit dem Unterricht beginne.

 

Weil das Wetter kälter wird, schließe ich gelegentlich die Fenster und öffne sie wieder. Im Sommer gab es kein Kälteproblem und die Fenster konnten vollständig geöffnet bleiben. Aber jetzt hat sich die Situation geändert. Zumindest wenn ein großes Fenster lange offen ist, ist das Klassenzimmer kalt, besonders die Teilnehmer, die nahe am Fenster sitzen, beschweren sich darüber. In dieser Zeit muss jedoch jeder Opfer bringen. Außerdem gibt es in jeder Ecke der Schule viele Desinfektionsmittel, um die Hände zu reinigen. Die Schule, in der ich arbeite, hat alle Vorkehrungen sehr gut getroffen.

 

Ich gab jedem meiner Teilnehmer einen eigenen Stift, damit sie an die Tafel schreiben konnten. Also gab ich den Teilnehmern nicht meinen eigenen Bleistift, um an die Tafel zu schreiben, sondern einen Stift, den jeder benutzen kann. Die Teilnehmer müssen aktiv sein, um ihr Interesse an der Lektion aufrechtzuerhalten. Deshalb lasse ich meine Teilnehmer oft an die Tafel schreiben. Die Pausen werden nicht gleichzeitig gemacht, so dass sich Teilnehmer anderer Klassen nicht treffen. Während eine Gruppe ihre Pause beendet und die Klasse betritt, macht diesmal eine andere Klasse eine Pause.

 

Die Bedingungen betreffen uns alle. Da jedoch alle unter gleichen Bedingungen leben, ist niemand dem anderen überlegen. Das Problem ist also unser allgemeines Problem. Daher ist es für jeden sehr wichtig, die festgelegten Regeln einzuhalten.

 

Da es die Pandemie schon lange gibt, haben sich die Menschen daran gewöhnt, sind aber auch schon ein bisschen der Maßnahmen müde. Die Pandemie wirkte sich negativ auf die sozialen Beziehungen aus. In einem Land wie Deutschland, in dem die sozialen Beziehungen bereits problematisch sind, sind die Beziehungen noch problematischer geworden. Ich benutze den Zug, um zur Arbeit zu gehen und sehe oft Probleme im Zug. Jeder versucht, sich voneinander fern zu halten. Corona hindert die Menschen manchmal daran, rational zu handeln. Zum Beispiel verursachen von Corona besessene Menschen, die nicht möchten, dass Menschen in ihrer Nähe sitzen, obwohl sie genügend Platz dazwischen haben, häufig Probleme während der Bahnfahrt.

 

Wir sind an dieses und viele ähnliche Probleme gewöhnt. Fragen wie, was als nächstes passieren wird, wie lange die Epidemie andauern wird, ob der Impfstoff gefunden wird, sind jetzt Fragen, die wir uns alle gegenseitig stellen. Niemand kann diese Fragen klar beantworten. Einige sind mit Verschwörungstheorien beschäftigt, während andere befürchten, dass sich die Situation verschlechtern wird.

 

Ja, das Leben ist nicht mehr dasselbe. Man sollte jedoch nicht die Hoffnung verlieren. Es gab zu verschiedenen Zeiten auf der ganzen Welt Ausbrüche und sie sind vorbei. Technologie und Medizin haben sich viel stärker verbessert als zuvor. Die Möglichkeiten sind viel mehr. Wissenschaftler arbeiten daran, eine Lösung für dieses Problem zu finden.

 

Ich hoffe, wir werden so bald wie möglich gesündere Tage haben. Weil wir das jetzt sehr brauchen.

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V. Die Pandemie wird vorübergehen, aber die Kunst bleibt!

VON ERDAL DENIZ

Alle Beschäftigten haben die Wucht und Zerstörung, die der Covid-19 Virus, verursacht hat, zur genüge gespürt. Millionen Beschäftigte mussten unter unhygienischen und ungesunden Bedingungen weiterarbeiten, ein nicht geringer Teil von ihnen hat zudem noch die Arbeit verloren. Covid-19 hat neben den Beschäftigten aus ganz vielen Arbeitszweigen insbesondere auch Kunstschaffende hart getroffen. Viele KünstlerInnen, die neben der künstlerischen Betätigung noch einer geringfügigen, niedrigbezahlten Beschäftigung nachgegangen waren, verloren während der Pandemiezeit auch noch ihre Arbeit. Dass zuvor geplante Kunstveranstaltungen abgesagt wurden oder Ausstellungen und Kurse ins Ungewisse vertagt wurden, bringt einige Institutionen dazu, die künstlerischen Werke auf digitalem Wege vorzuführen und ihre Veranstaltungen auf digitaler Ebene durchzuführen. Digital zu arbeiten, gewann an mehr Bedeutung.

 

Diese gelebten Unannehmlichkeiten erschwerten das Leben von KünstlerInnen sehr und nahmen am Ende meistens tragische Ausmaße an. Untersuchungen zu dem Thema ergeben, dass 90% aller freischaffenden KünstlerInnen in dieser Phase wirtschaftlich sehr beeinträchtigt wurden. Nur sehr wenigen KünstlerInnen und Galerien, die vor der Pandemie schon über gute Finanzen verfügt hatten, blieb der wirtschaftliche Engpass erspart.

 

Wir haben wieder einmal erfahren, dass die Ungleichheit in der Umverteilung, die in allen gesellschaftlichen Bereichen vorhanden ist, auch für Kunstschaffende gleich gilt. Die Unannehmlichkeiten und Probleme, die in der Bildenden Kunst, bei MusikerInnen, beim Theater, bei den AutorInnen und den Kunstschaffenden in den anderen künstlerischen Disziplinen in „normalen Zeiten“ sowieso schon durchmachten, vermehrten sich während der Pandemie vielfach. Die Pandemie zeigte wiederum deutlich, dass die Kunst im gesellschaftlichen Leben nicht die ihr zustehende Würdigung erfährt, die ihr normalerweise zustehen müsste. Wie in ähnlichen Krisensituationen auch, sahen Staaten auch bei dieser Pandemie als erstes Limitierungen und Kürzungen bei künstlerischen Aktivitäten vor. Trotz aller Probleme und Unannehmlichkeiten versuchen KünstlerInnen aber weiterhin als Zeugen dieser gesellschaftlichen Entwicklung weiterhin Kunst und Kultur zu schaffen. Dass auch eines Tages die Gesellschaft es verstehen wird, wie entschlossen und mit welcher Ausdauer KünstlerInnen arbeiten, ist und bleibt unser einziger Trost.

 

Während der Pandemie sammelten die Menschen sehr wichtige neue Kenntnisse und Erfahrungen. Es ist klar geworden, dass im Gesundheitssystem die Medizin vergesellschaftlicht werden muss. Wir merkten alle, dass die kapitalistische Konsumgesellschaft uns dazu animierte unsere Umwelt zu zerstören. Wir lernten, dass die Umwelt bei der Energiegewinnung dermaßen zerstört wird, dass keine Wiederherstellung mehr möglich sein wird. Wir merkten wie wichtig Gesundheit und Solidarität sind. Alles hängt miteinander zusammen und alles beeinflusst sich gegenseitig. Je mehr wir uns an die Werte zurückerinnern, die uns Menschen ausmachen, umso mehr werden wir KünstlerInnen und Kunstschaffenden beistehen und diese fördern. Trotz allem Kunst! Auch Covid-19 geht vorüber, zurück bleibt die Kunst!

 

(Deutsche Übersetzung: Özgür Metin)

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VI. Ein Tag im Leben von einer FSJlerin

VON EKIN HAYIRLI

Habt ihr euch schon Mal gefragt wie es ist, ein Freiwilliges-Soziales Jahr (FSJ) zu machen? Ich habe vor kurzem damit angefangen und mache einen Job der mir echt viel Spaß macht, aber es gibt viele Hürden, die ich euch in diesem Artikel auch näherbringen will. Eins kann ich schon Mal vorwegnehmen – Pflegerinnen und Pfleger werden zurecht gefeiert aber ihre Löhne und Arbeitszeiten sind immer noch katastrophal und es fehlt an allem.

 

Im August dieses Jahres habe ich mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Krankenhaus angefangen. Mir war bewusst, dass es sehr anstrengend wird, vor allem mit dem geringen Lohn, den ich für die Arbeit bekomme. Das FSJ mache ich als eine Überbrückung, bis ich einen Platz für ein Medizinstudium bekomme. Es ist für mich eine gute Möglichkeit Erfahrungen zu sammeln und Eindrücke vom Krankenhausalltag zu bekommen. Mir ist aber auch bewusst, dass ich das FSJ nur machen kann, weil ich bei meiner Mutter lebe und von ihr unterstützt werde. Die 400 Euro, die ich verdiene, muss ich größtenteils für mein Busticket, mein Handy und ähnliches ausgeben. Bei monatlichen 400 Euro und einer 40 Stunden Woche ergibt das übrigens einen Stundenlohn von 2,50 Euro. Jetzt könnte man vielleicht denken, dass ich „nur“ Praktikantin bin, aber wer im Krankenhaus arbeitet, weiß dass die Praktikanten genau so viel arbeiten wie die Pfleger, weil diese unsere Unterstützung notwendig haben.

ALLTAG IM KRANKENHAUS

Meine Schicht im Krankenhaus beginnt jeden Morgen um 7 Uhr auf der gynäkologischen Station, obwohl die Pfleger schon um 6:30 Uhr anfangen, um die Übergabe zu machen. Angekommen kriege ich dann schnell eine Übersicht und Infos zu allen Patientinnen. Dann geht’s sofort mit der Morgenrunde los.

 

Wir gehen in alle Zimmer und machen einige Standardkontrollen, wie z.B. Blutdruck, Temperatur und teilen Medikamente aus. Auch die Pflege der Patientinnen findet jetzt statt. Das heißt, dass wir Patientinnen, die sich nicht mehr allein waschen können, dabei unterstützen, unter Umständen auch bei anderen Dingen, die für viele selbstverständlich sind wie die Zähne putzen und frühstücken am Morgen. Meistens sind wir nur zwei Pflegerinnen und zwei Praktikantinnen. Wenn dann schon morgens Patienten in den OP müssen, ist eine der beiden Pflegerinnen allein auf Station bei der Runde. Das ist weder für die Patienten noch für die Pfleger eine gerechte Situation. Die Morgenrunde ist im Idealfall so angesetzt, dass man um acht Uhr auf allen Zimmern einmal gewesen ist und alle Patientinnen sehen konnte. Das hat in meinen zwei Monaten dort noch nie funktioniert. In der Regel sind wir erst gegen zehn Uhr fertig, ohne dass wir selbst nur einen Schluck trinken konnten bei dem ganzen hin und her Laufen.

 

ZU WENIG PFLEGER AUF DER STATION

 

Wir sind eigentlich immer unterbesetzt, was zur Folge hat, dass ich als Praktikantin allein gelassen werde mit Patientinnen, oder mir eine Pflegerin zur Seite steht und die anderen Patienten warten müssen. Es muss also immer abgewogen werden, welche Patientin Vorrang hat und welches Anliegen wichtiger ist. Es kommt auch oft vor, dass wir Pflegepersonal von einer fremden Station bekommen, weil wir sonst zu wenig Pfleger wären, die eine abgeschlossene Ausbildung haben, auch examinierte Pfleger genannt. Das hat dann zur Folge, dass sich diese Pfleger, mit dem Fachgebiet der Gynäkologie nicht ausreichend auskennen. Es ist eigentlich konstant ein sehr hohes Stressniveau vorhanden und man muss sich sehr gut organisieren, um alle Patienten angemessen zu behandeln. Die Pfleger sind dazu verpflichtet alles zu notieren, was auf den Zimmern geschieht, auch wenn da nur steht, dass die Patientin einen guten Allgemeinzustand hat und keine Schmerzen angibt.

 

Durch den Zeitdruck geschieht es leider oft, dass die Dokumentation der Morgenrunde, erst mittags stattfindet, aus dem Gedächtnis heraus. Für die Ärztinnen und Ärzte ist die Situation übrigens nicht anders. Sie laufen ständig von A nach B und haben nur wenige Minuten für die Patienten Zeit, wodurch diese sich natürlich nicht gut behandelt fühlen. Manchmal bitten wir eine Ärztin darum einer Patientin einen neuen Zugang zu legen (d.h. eine Nadel mit „Anschluss“ durch die dann Infusionen laufen) und müssen mehrere Stunden warten, bis jemand zuständiges einige Minuten dafür Zeit aufbringen kann.

VIEL ARBEIT, WENIG GELD. ABBRECHEN?

Durch den dauerhaften Stress, den wir in der Pflege haben, hatte ich schon oft Momente, in denen ich dachte, es wäre besser das Jahrespraktikum abzubrechen, weil ich trotz der anstrengenden Arbeit nicht ausreichendes Geld habe, um mir Mal etwas zu kaufen was mir gefällt. Meinen Hobbys kann ich auch nicht mehr wie in der Schulzeit nachgehen. Bei den examinierten Pflegern sieht es nicht anders aus. Die versprochenen Corona Zulagen sind bei niemandem angekommen, den ich kenne.

WAS DIE PFLEGE WIRKLICH BRAUCHT

Trotz der ganzen Situationen, in denen ich frustriert und erschöpft bin, gehe ich jeden Tag gerne zur Arbeit. Ich glaube, dass es auch nicht zu bewältigen ist, wenn man keinen Spaß an der Arbeit hat.

 

Der Stress und die schwierigen Arbeitsbedingungen werden von uns allen sehr schnell vergessen, wenn wir sehen, dass es einem Patienten oder eine Patientin besser geht, nachdem diese bei uns waren.

 

Wir kriegen viel Dankbarkeit entgegen gebracht von denjenigen, die wissen wie schwierig es für uns ist. Das wissen wir zu schätzen, aber Dankbarkeit allein reicht nicht aus. Was die Pflege wirklich braucht ist einen angemessenen Lohn und mehr Personal, um den Alltag für die Pfleger und auch der Patienten zu erleichtern.

 

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Die Beiträge sind auf http://stimme-nordstadt.de Ausgabe 9 – Dezember 2020 erschienen und werden hier mit freundlicher Genehmigung gespiegelt

Bild: stimme-nordstadt.de