Die dynamische Kultur- und Kreativwirtschaft – nur eine Luftblase?

fliegende-bilder-dortmunder-u-_cjl_0904-9815Die Kreativwirtschaft ist seit einigen Jahren in aller Munde. Besonders beliebt ist sie bei den Wirtschaftsförderern, die sich ganz viel davon versprechen.
Unter dem Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft tummelt sich derzeit alles das, was produktiv aus Kultur hervorgeht und sich irgendwie mit Kultur beschäftigt. Es werden großzügig diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen erfasst, die überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung oder medialen Verbreitung von kulturellen und kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen.
Vor allem jungen Menschen, die mit ihren Start up-Unternehmen „irgendwas mit Medien“ machen wollen oder „irgendwie Kulturarbeiter“ sind, versuchen sich auf diesem Feld und hoffen, dass sie demnächst von ihrer Tätigkeit als Kulturunternehmer leben können.
Die Akteure der Branche sehen sich selbst als Kreative und eben auch als Unternehmer, die in dem neuen Wirtschaftszweig ihr Glück und Auskommen suchen. Dieser Entwicklung kommt entgegen, dass immer mehr öffentliche Leistungen, auch im Kunst- und Kulturbereich, gekürzt werden und die Kunst sich dem Markt unterordnen muss. Mit Hilfe der Werbeindustrie wird dieser Prozess als Zukunftschance verkauft und nennt sich dann Kreativwirtschaft.

Im Ruhrgebiet erwirtschaftete die Kultur- und Kreativwirtschaft im Jahr 2012 rund 6 Milliarden Euro Jahresumsatz. Das mag viel klingen, ist es aber nicht, denn der Umsatz der Kultur- und Kreativbranche an der Gesamtwirtschaft beträgt nur rund zwei Prozent.
Der Umsatz im Ruhrgebiet ist in den Jahren 2009 bis 2012 sogar um 6,1 Prozent zurück ge-gangen.
Nun wird gejammert, dass es in Köln oder Düsseldorf bessere Rahmenbedingungen gibt, weil dort die Rundfunk- und Fernsehsektoren vertreten sind und große Teile der audiovisuellen Industrie. Kino, Fernsehen, Radio, Video habe dort ihren Hauptsitz.
Um den wirtschaftlichen Einbruch aufzuhalten, werden permanent Initiativen, Foren und Innovationswerkstätten veranstaltet und stark beworben. Die finden dann heraus, wo z.B. im Ruhrgebiet die Stärken der Kreativwirtschaft liegen könnten. Architektur, Software, Games und Design, das wären die Branchen die derzeit favorisiert werden.
Was diese Forschungen aber für die Arbeit von Politik und Wirtschaft konkret bedeuten, bleibt unklar. Auf jeden Fall, da ist man sich einig, muss die Kreativwirtschaft gestärkt werden.

In Dortmund gibt es das European Centre für Creative Economy (Ecce), finanziert mit 300 000 Euro jährlich vom Land NRW und dem Regionalverband Ruhr. Ecce-Leute arbeiten als Moderatoren mit städtischen Behörden, Kulturbüros und der Wirtschaftsförderung zusammen, um sogenannte Kreativquartiere zu entwickeln, in denen sich Unternehmen und Selbständige aus dem Kreativbereich ansiedeln sollen. Nach eigener Auskunft fördern sie „Milieubildung durch Kultur“ und behaupten „ die Frage ist nicht, wie viele Arbeitsplätze entstanden sind, sondern wir fördern Milieubildung durch Kultur.“
Das widerspricht der gängigen Zielsetzung, die in jeder Ruhrgebietsstadt so buchstabiert wird: „Aufgrund des Strukturwandels sind neue Branchen anzusiedeln, um Arbeitsplätze zu schaffen.“

Wie eine solche Kreativindustrie von an Anfang an den Bach runtergeht, zeigt das Kreativ-wirtschaftszentrum um den U-Turm in Dortmund.

Im Jahr 2008 erhielt die Stadt Dortmund nach langen Verhandlungen mit der damaligen schwarz-gelben Landesregierung eine Landes- und EU-Förderung für den Umbau des U-Turms von rund 32 Millionen Euro (Das große „U“ steht für die frühere Dortmunder Union Brauerei. Anm. L. N.). Bedingung der Bewilligung war, dass das Dortmunder U nicht nur ein Museum, sondern ein Zentrum für die Kreativwirtschaft werden soll.

2008 wurde die europaweite Ausschreibung für ein „Kompetenzzentrum für Kreativwirt-schaft“ für den Bau des Berufskolleg-Komplexes am U-Turm ausgegeben. So recht wollte aber kein Investor anbeißen. Deshalb beschloss man 2009, die Ausschreibungskriterien so zu ändern, dass insbesondere die zeitliche Befristung der Branchenbindung gelöst wird, um für den privatwirtschaftlichen Investor des Kreativwirtschaftlichen Zentrums das wirtschaftliche Risiko möglichst gering zu halten.
Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit um die Vergabe.
5 Jahre nach der Ausschreibung bekam ein Konsortium aus den Firmen Kölbl-Kruse und Hochtief den Zuschlag für das Bauprojekt. Das Projekt umfasste nun zwei Berufskollegs, die von der Stadt für rund 4,6 Millionen Euro im Jahr angemietet werden und ein Kompetenzzentrum für Kreativwirtschaft, das der Bauherr selbst vermarkten sollte.

Skandalös ist das Verschweigen der Tatsache, dass die Vorgabe für eine Vermietung als Kreativwirtschaftszentrum nur für zwei Jahre bindend war und dass diese Bindungsfrist heute schon abgelaufen ist, wobei der ganze Gebäudekomplex noch gar nicht fertig gestellt ist. Vermietet ist der Komplex aber schon an die Firma Thyssengas, die im Frühjahr 2016 ihre Hauptverwaltung mit 190 Mitarbeitern direkt am U-Turm errichtet.

Das vollmundig gepriesene Kreativwirtschafszentrum am U-Turm wurde hinter den Kulissen trickreich abgedreht.

Die Wirtschaftsförderung der Stadt Dortmund redet den ganzen Vorgang schön, mit den bekannten Sprüchen: dass man Thyssengas den führenden Netzregulierer der deutschen Gaswirtschaft dauerhaft an Dortmund gebunden habe, der Arbeitsmarkt stabilisiert werden konnte und die Gewerbesteuer fließen würde.

Und die Landesförderung, die sich 2008 explizit auf die kreativwirtschaftliche Note rund ums das Dortmunder U bezog? Da ist man sich in Dortmund sicher, dass die Umwidmung des Bauwerks in eine normale Büronutzung keine Auswirkungen auf die gewährte Landesförderung haben wird.

Und die riesigen Pläne für die Kreativwirtschaft am U-Turm? Kein Problem. Das kreative Potenzial soll nun im gesamten Stadtviertel verteilt werden.

Wie sagten die Ecce-Leute noch:
Es gehe um Milieubildung durch Kultur. Die die Frage sei nicht, wie viele Arbeitsplätze entstanden sind, sondern dass Milieubildung durch Kultur gefördert wird.

Ist die Kreativwirtschaft nur eine brotlose Kunst? Vielleicht, aber mit Sicherheit nicht für die Werbeindustrie.

 

Quelle:  WAZ, Prognos,Ecce , Stadt Dortmund
Bild:  Dortmunder U